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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Pfunds Trauben-Nuß- Schokolade den Höhepunkt sinnlichen Genusses darstellte. Wenn Dr. Kores es schaffte, den größten Schürzenjäger von ganz Ipford auf ein derart schauerliches Niveau zu reduzierenbestand durchaus Hoffnung, daß sie bei Henry das Gegenteil bewirken konnte.
    Beim Lunch hatte Eva den Artikel ein zweites Mal gelesen und war wie immer, wenn es um Sex ging, verunsichert. Alle ihre Freundinnen schienen zuviel davon zu haben, entweder mit ihren Männern oder mit sonst jemandem, und offenbar war das wichtig, denn sonst würde nicht soviel darüber geschrieben und geredet. Trotzdem fiel es Eva noch immer schwer, dies mit der Erziehung, die sie in ihrem Elternhaus genossen hatte, in Einklang zu bringen. Ohne Zweifel hatte ihre Mutter falsch gelegen, als sie darauf bestand, sie müsse bis zu ihrer Heirat Jungfrau bleiben. Das hatte Eva inzwischen deutlich erkannt. Bei den Vierlingen würde sie sich sicher anders verhalten. Nicht, daß sie aus ihnen kleine Flittchen machen wollte, wie die Hatten-Gören, die sich mit vierzehn schminkten und mit Kerlen auf Motorrädern durch die Gegend sausten. Aber später, wenn sie achtzehn waren und die Universität besuchten, dann war nichts dagegen zu sagen. Sie sollten Erfahrungen haben, bevor sie heirateten, anstatt zu heiraten, um... Eva bremste sich. So stimmt es eben auch nicht. Sie hatte Henry nicht nur wegen dem Sex geheiratet. Sie waren wirklich ineinander verliebt gewesen. Natürlich hatte Henry sie betatscht und an ihr herumgefummelt, aber nie so schlimm wie andere Jungen, mit denen sie gegangen war. Eigentlich war er eher scheu und verlegen gewesen, so daß sie ihn ermutigen mußte. Mavis hatte ganz recht, sie ein Vollblutweib zu nennen. Sie hatte Spaß am Sex, aber nur mit Henry. Sie würde sich keinen Seitensprung leisten, und schon gar nicht, solange die Vierlinge im Hause waren. Man mußte mit gutem Beispiel vorangehen, und kaputte Familien waren eine schlimme Sache. Andererseits galt das auch für Familien, in denen sich die Eltern ständig in den Haaren lagen und einander haßten. So gesehen hatte eine Scheidung auch ihr Gutes. Nicht, daß ihre Ehe durch dererlei Dinge in Gefahr gewesen wäre.
    Aber irgendwie hatte sie auch ein Recht auf ein erfüllteres Liebesleben, und wenn Henry zu schüchtern war, jemanden um Hilfe zu bitten – und zweifellos war das der Fall –, dann mußte sie es eben an seiner Stelle tun. Also hatte sie Dr. Kores angerufen und zu ihrer Überraschung gleich einen Termin um halb drei bekommen.
    Eva hatte sich auf den Weg gemacht, ohne die aus zwei Wagen und vier Polizisten bestehende Eskorte zu bemerken, und war am Ende der Perry Road in den Bus Richtung Silton gestiegen, der sie zu Dr. Kores’ verwilderter Kräuterfarm brachte. Sie hat wohl kaum die Zeit, alles in Ordnung zu halten, dachte Eva, als sie sich den Weg an mehreren verfallenen Gewächshäusern und einem verrosteten Pflug vorbei zum Haus bahnte. Trotzdem war sie über den Mangel an Organisation entsetzt. Wäre es ihr Garten gewesen, er hätte nicht so ausgesehen. Andererseits tendierte alles Organische dahin, seinen eigenen Weg zu gehen, und außerdem stand Dr. Kores entschieden im Ruf einer Exzentrikerin. Eva war darauf gefaßt, ein in ein Schultertuch gehülltes vertrocknetes Weiblein anzutreffen, als sich die Tür öffnete und eine streng wirkende Frau im weißen Mantel sie durch eine seltsam getönte dunkle Brille betrachtete.
    »Mrs. Wilt?« sagte sie und führte Eva durch einen Gang in ein Sprechzimmer. Eva blickte sich etwas ängstlich um, während die Ärztin ihren Sitz hinter dem Schreibtisch einnahm. »Sie haben also Probleme?« fragte sie.
    Eva setzte sich. »Ja«, sagte sie, wobei sie am Verschluß ihrer Handtasche herumspielte und wünschte, daß sie nicht gekommen wäre.
    »Mit ihrem Mann, haben Sie gesagt, nicht wahr?«
    »Also eigentlich nicht mit ihm«, entgegnete Eva, die plötzlich das Bedürfnis verspürte, Henry zu verteidigen. Schließlich war es nicht seine Schuld, daß er weniger impulsiv war als einige andere Männer. »Es ist nur so, daß er ... also ... er ist nicht so aktiv, wie er sein könnte.«
    »Sexuell aktiv?« Eva nickte.
    »Wie alt?« fuhr Dr. Kores fort.
    »Sie meinen Henry? Dreiundvierzig. Im März wird er vierundvierzig. Er ist ein ...«
    Aber Dr. Kores interessierte sich offenbar nicht für Wilts Sternzeichen. »Und das sexuelle Gefalle war steil?«
    »Ich denke schon«, sagte Eva und überlegte, was ein sexuelles Gefalle sein

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