Henry dreht Auf
mochte.
»Wöchentliches Aktivmaximum, bitte.«
Besorgt betrachtete Eva eine schiefhängende Lampe und versuchte nachzudenken. »Nun, als wir jung verheiratet waren ...« Sie stockte.
»Weiter«, befahl Dr. Kores.
»Also, ich erinnere mich, daß Henry es in einer Nacht dreimal getan hat«, platzte es aus Eva heraus. »Natürlich hat er das nur einmal gemacht.«
Der Kugelschreiber der Ärztin hielt inne. »Bitte erklären Sie das«, sagte sie. »Zuerst haben Sie gesagt, daß er dreimal pro Nacht sexuell aktiv war. Und dann sagten Sie, er war es nur einmal. Meinen Sie damit, daß es nur beim erstenmal zu einem Samenerguß kam?«
»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Eva. »Das ist nicht so leicht zu sagen, oder?«
Dr. Kores betrachtete sie zweifelnd. »Lassen Sie es mich anders ausdrücken: Gab es beim Klimax jedes einzelnen Verkehrs einen penilen Spasmus?«
»Ich denke schon«, sagte Eva. »Aber es ist schon zu lange her, und ich erinnere mich nur noch, daß er am nächsten Tag hundemüde war.«
»In welchem Jahr hat das stattgefunden?« fragte die Ärztinnachdem sie »peniler Spasmus ungewiß« notiert hatte. »1963. Im Juli«, sagte Eva. »Ich erinnere mich daran, weil wir einen Wanderurlaub in den Bergen machten, und Henry meinte, er hätte vorerst genug vom Gipfelstürmen.«
»Sehr amüsant«, entgegnete Dr. Kores trocken. »Und das war seine sexuelle Maximalleistung?«
»An seinem Geburtstag 1970 hat er es zweimal gemacht ...«
»Und das Plateau war wie oft pro Woche?« fragte Dr. Kores, die es offenbar gar nicht soweit kommen lassen wollte, daß Eva auch nur entfernt Menschliches in das Gespräch einschmuggelte.
»Das Plateau? Ja also, früher war das ein- oder zweimal, aber jetzt habe ich Glück, wenn’s einmal im Monat passiert, und manchmal dauert es sogar noch länger.«
Dr. Kores fuhr sich mit der Zunge über die schmalen Lippen und legte den Stift nieder. »Mrs. Wilt«, sagte sie dann, wobei sie die Ellenbogen auf dem Schreibtisch aufstützte und mit Fingerspitzen und Daumen ein Dreieck formte, »ich beschäftige mich ausschließlich mit den Problemen der Frau in einem von Männern dominierten gesellschaftlichen Kontext, und offen gesagt, empfinde ich Ihre Einstellung zu Ihrer Beziehung mit Ihrem Mann als übertrieben unterwürfig.«
»Meinen Sie wirklich?« sagte Eva und lebte sichtlich auf. »Henry sagt immer, ich sei zu herrschsüchtig.«
»Bitte«, sagte die Ärztin auf eine Art, die einem Schaudern sehr nahe kam, »ich bin nicht im mindesten an den Ansichten Ihres Mannes oder an seiner Person interessiert. Wenn Sie sich damit beschäftigen, dann ist das Ihre Sache. Meine ist es, Ihnen als einem völlig unabhängigen Wesen zu helfen, und wenn ich ehrlich sein soll, dann finde ich Ihre Selbstverdinglichung äußerst widerwärtig.«
»Tut mir leid«, sagte Eva und überlegte, was in Dreiteufelsnamen mit »Selbst-Verdinglichung« gemeint war. »Sie haben zum Beispiel wiederholt gesagt, ich zitiere: ›Er hat es dreimal getan‹, und dann wieder: ›Er hat es zweimal gemacht ...‹«
»Aber das hat er«, protestierte Eva.
»Und wer war das ›Es‹? Sie vielleicht?« fragte die Ärztin heftig.
»So habe ich das nicht gemeint«, begann Eva, aber jetzt war Dr. Kores nicht mehr zu bremsen. »Allein das Wort ›tun‹ oder ›machen‹ signalisiert ein stillschweigendes Einverständnis zu ehelicher Vergewaltigung. Was würde Ihr Mann sagen, wenn Sie es mit ihm ›tun‹ würden?«
»Oh, ich glaube nicht, daß Henry das mögen würde«, sagte Eva. »Ich meine, er ist nicht sehr groß und ...«
»Wenn Sie nichts dagegen haben«, unterbrach sie die Ärztin, »von Größe ist hier nicht die Rede. Entscheidend ist die Einstellung. Und ich bin nur bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie sich ganz entschieden dazu durchringen, sich selbst als den Führer in Ihrer Beziehung zu betrachten.« Die Augen hinter der blaugetönten Brille verengten sich.
»Ich werde es ganz bestimmt versuchen«, sagte Eva. »Es wird Ihnen gelingen«, sagte die Ärztin prophetisch. »Das ist das Entscheidende. Sprechen Sie mir nach: ›Es wird mir gelingen.‹«
»Es wird mir gelingen«, wiederholte Eva. »Ich bin die Überlegene«, sagte Dr. Kores. »Ja«, sagte Eva.
»Nicht ›ja‹«, zischte die Ärztin, die jetzt noch seltsamer in Evas Augen starrte, »sondern ›Ich bin die Überlegene‹.«
»Ich bin die Überlegene«, sagte Eva gehorsam.
»Jetzt beides.«
»Beides«, sagte Eva.
»Aber nicht doch. Ich möchte,
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