Henry dreht Auf
sie zögernd ein.
Noch einen Augenblick verweilte Dr. Kores gedanklich in einer Zukunft, in der es wahrscheinlich keine Männer mehr gab, bevor sie sich mühsam in die Gegenwart zurückzwang. »Ach ja, Ihr Mann«, sagte sie noch etwas geistesabwesend. »Sie brauchen etwas, das ihn sexuell stimuliert, ja?«
»Wenn das möglich ist«, sagte Eva. »Er hat noch nie ...« Aber Dr. Kores unterbrach sie mit einem rauhen Lachen. »Mrs. Wilt«, sagte sie, »haben Sie je die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß Ihr Mann nur scheinbar unter einem Mangel an sexueller Aktivität leidet?«
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Vielleicht eine andere Frau?«
»O nein«, sagte Eva. »Das paßt nicht zu ihm. Ehrlich nicht.«
»Oder latente Homosexualität?«
»Wenn er so einer wäre, hätte er mich doch nicht geheiratet, oder?« sagte Eva aufrichtig schockiert. Dr. Kores betrachtete sie kritisch. In Augenblicken wie diesem wurde ihr Glaube an die angeborene Überlegenheit des Weiblichen auf eine harte Probe gestellt. »Solche Fälle sind bekannt«, preßte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und wollte gerade zu einer Erörterung des Familienlebens von Oscar Wilde ansetzen, als es draußen läutete.
»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte sie und eilte hinaus. Durch eine andere Tür kam sie wieder herein. »Mein Labor«, erklärte sie. »Ich habe da ein Präparat, das sich wohltuend auswirken könnte. Die Dosierung ist allerdings eine heikle Angelegenheit. Wie viele Medikamente enthält auch dieses Bestandteile, die, im Übermaß eingenommen, eine deutliche Kontraindikation hervorrufen. Ich muß Sie dringend davor warnen, die angegebene Dosis von fünf Millilitern zu überschreiten. Damit Sie sie ganz genau abmessen können, habe ich Ihnen eine Spritze dazugelegt. Bei dieser Dosierung wird das Präparat zu dem gewünschten Erfolg führen. Wird sie jedoch überschritten, kann ich dafür keinerlei Verantwortung übernehmen. Sie werden die Angelegenheit natürlich äußerst vertraulich behandeln. Als Wissenschaftlerin kann ich nicht für die unsachgemäße Anwendung einer bewährten Arznei verantwortlich gemacht werden.«
Eva steckte die Plastikflasche in ihre Tasche und verabschiedete sich. Als sie an dem rostigen Pflug und den verkommenen Gewächshäusern vorbeikam, kreiste in ihrem Kopf ein Wirbel widersprüchlicher Eindrücke. Irgendwie war Dr. Kores doch ein seltsames Wesen. Aber nicht das, was sie gesagt hatte, erschien ihr so seltsam – Eva wußte wohl, daß ihre Worte unbedingt vernünftig waren –, sondern wie sie es gesagt hatte und wie sie sich benahm. Sie mußte das mit Mavis diskutieren. Wie auch immer, als sie an der Bushaltestelle stand, überraschte sie sich dabei, wie sie fast willenlos wiederholte: »Ich bin die Überlegene. Es wird mir gelingen.« Zwei von Inspektor Hodges Zivilfahndern beobachteten sie aus einer Entfernung von hundert Metern und notierten sich Zeit und Ort. Die Erfassung des Wiltschen Familienalltags – der Ernstfall hatte begonnen.
Kapitel 9
und sie ging weiter. Zwei Tage lang ließen Beschatter-Teams die Wilts nicht aus den Augen und erstatteten Inspektor Hodge Bericht. Für diesen waren die Signale unzweideutig. Als geradezu vernichtenden Beweis wertete er Evas Besuch bei Dr. Kores.
»Kräuterfarm? Sie hat eine Kräuterfarm in Silton aufgesucht?« sagte der Inspektor ungläubig. Nach achtundvierzig nahezu schlaflosen Stunden und ebenso vielen Tassen schwarzen Kaffees hätte er selbst etwas alternative Medizin brauchen können.
»Und sie kam mit einer großen Plastikflasche heraus?«
»Anscheinend«, sagte der Detektiv. Mit Eva Schritt zu halten, hatte seinen Tribut gefordert. Und die Vierlinge auch. »Soweit ich weiß, ist sie mit einer Flasche hineingegangen. Wir haben nur gesehen, wie sie sie aus der Tasche zog, als sie auf den Bus wartete.«
Hodge ignorierte die dahintersteckende Logik. Was ihn betraf, so waren Verdächtige, die Kräuterfarmen aufsuchten und danach Flaschen in ihren Taschen verschwinden ließen, auf alle Fälle schuldig.
Doch noch weit mehr interessierte ihn die Meldung, daß eine gewisse Mavis Mottram sich am Spätnachmittag in der Oakhurst Avenue 45 eingefunden hatte. »Subjekt holt Kinder um 15.30 Uhr von der Schule ab«, las er im Bericht seiner Leute, »kommt nach Hause, und eine Frau fährt in einem Mini vor.«
»Korrekt.«
»Wie sieht sie aus?«
»Höchstens vierzig. Dunkle Haare. Einssechzig groß. Blauer Anorak, Khakihosen und
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