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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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daß Sie beide Aussagen wiederholen. Zuerst ...«
    »Es wird mir gelingen«, sagte Eva, die endlich begriffen hatte. »Ich bin die Überlegene.«
    »Nochmals.«
    »Es wird mir gelingen. Ich bin die Überlegene.«
    »Gut«, sagte Dr. Kores. »Es ist von vitalem Interesse, daß Sie die richtige psychische Einstellung entwickeln, wenn ich Ihnen helfen soll. Sie werden diese autogenen Instruktionen dreihundertmal am Tag wiederholen. Haben Sie verstanden?«
    »Ja«, sagte Eva. »Ich bin die Überlegene. Es wird mir gelingen.«
    »Noch mal«, sagte die Ärztin.
    Während der folgenden fünf Minuten saß Eva reglos auf ihrem Stuhl und wiederholte diese Aussagen, während Dr. Kores ihr, ohne die Wimpern zu bewegen, in die Augen starrte. »Genug«, sagte sie schließlich. »Sie verstehen doch, was das bedeutet?«
    »So ungefähr«, sagte Eva. »Es hat mit dem zu tun, was Mavis Mottram immer sagt, daß Frauen die führende Rolle in der Welt übernehmen müssen, nicht wahr?«
    Dr. Kores setzte sich mit einem dünnen Lächeln in ihrem Stuhl zurück. »Mrs. Wilt«, sagte sie, »seit fünfunddreißig Jahren habe ich mich ununterbrochen mit der sexuellen Überlegenheit des weiblichen Elements in der Welt der Säugetiere beschäftigt. Schon als Kind haben mich die Paarungsgewohnheiten der Arachnida inspiriert – meine Mutter war eine Expertin auf diesem Gebiet, bevor sie unglücklicherweise meinen Vater heiratete, Sie verstehen.«
    Eva nickte. Zum Glück war ihr entgangen, daß Dr. Kores von Spinnen sprach, doch war sie so fasziniert davon, absolut nichts zu verstehen, daß ihr alles, was Dr. Kores sagte, ungeheuer bedeutsam erschien. Dabei dachte sie an die Zukunft der Vierlinge.
    »Aber bei meiner eigenen Arbeit«, fuhr die Ärztin fort, »habe ich mich auf die höheren Lebensformen und ganz speziell auf die ungleich höher entwickelten Fähigkeiten der Weibchen im Überlebensbereich konzentriert. Die Rolle des Männchens ist auf jeder Entwicklungsstufe eine untergeordnete, wohingegen das Weibchen eine Anpassungsfähigkeit aufweist, die die Erhaltung der Spezies gewährleistet. Einzig und allein beim Menschen, und auch da nur im gesellschaftlichen und weniger im rein biologischen Kontext, hat sich dieses Verhältnis umgekehrt. Diese Umkehrung ist durch das wettbewerbsorientierte und militaristische Wesen einer Gesellschaft verursacht worden, in der die brutale Gewalt des Männlichen eine Rechtfertigung für die Unterdrückung des Weiblichen gefunden hat. Stimmen Sie mir da zu?«
    »Ja, ich denke schon«, sagte Eva, die dieser Argumentation nur schwer folgen konnte, aber einsah, daß sie irgendwie vernünftig war.
    »Gut«, sagte Dr. Kores. »Womit wir jetzt bei einer weltweiten Krise angelangt sind, die darin besteht, daß durch den männlichen Mißbrauch des wissenschaftlichen Fortschritts für militärische Zwecke die Vernichtung des Lebens auf der Erde möglich und wahrscheinlich geworden ist.« Sie machte eine Pause, um Eva diesen Gedanken nachvollziehen zu lassen. »Zum Glück hat die Wissenschaft die Mittel zu diesem Zweck auch in unsere Hände gelegt. In der automatisierten Gesellschaft unserer Zeit hat die rein physische Kraft des Mannes ihre Vorteile eingebüßt. Der Mann ist überflüssig geworden. Im Zeitalter des Computers wird es die Frau sein, die die Macht in Händen hält. Sie haben sicher über die Forschungsarbeiten im St. Andrew’s gelesen. Man hat nachgewiesen, daß Frauen einen größeren Corpus callosum haben als Männer.«
    »Corpus callosum«, sagte Eva.
    »Eine Milliarde Gehirnzellen, Nervenfasern, die die beiden Gehirnhälften miteinander verbinden und für den Informationstransfer entscheidend sind. Bei der Arbeit mit Computern ist dieser Austausch von größter Wichtigkeit. Er könnte für das elektronische Zeitalter durchaus dieselbe Bedeutung haben wie der Muskel für das Zeitalter der physischen ...«
    In diesem Stil dozierte Dr. Kores noch zwanzig Minuten weiter, schwankend zwischen einer schon fast schwachsinnigen Leidenschaft für alles Weibliche, rationalen Argumenten und der Feststellung von Tatsachen. Für Eva, die von jeher dazu neigte, derart enthusiastisch vorgebrachte Meinungen unkritisch zu übernehmen, schien diese Frau all das zu verkörpern, was an der intellektuellen Welt, der sie nie angehört hatte, größte Bewunderung verdiente. Erst als die Ärztin allmählich auf ihrem Stuhl zusammensackte, fiel Eva wieder ein, warum sie eigentlich gekommen war. »Was Henry betrifft ...«, warf

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