Henry dreht Auf
Wilt und überlegte schon, ob er den Duschschlauch als Feuerlöscher benützen sollte, als ihm eine bessere Idee kam. Feuchtigkeitscreme von außen draufzuschmieren brachte nichts. Er brauchte das Zeug inwendig. Aber wie zum Teufel sollte er es dahin kriegen? Sein Blick fiel auf eine Tube Zahnpasta. Das war’s, was er brauchte. Nein, doch nicht. Nicht Zahnpasta.
Feuchtigkeitscreme. Warum verpackten sie das Zeug eigentlich nicht in Tuben?
Wilt öffnete das Arzneischränkchen und wühlte zwischen alten Rasierern, Aspirinschächtelchen und Hustensäften herum, in der Hoffnung, eine Tube mit irgendwas zu entdecken, das sich einigermaßen zum Einspritzen in seinen Penis eignete, aber außer Evas Haarentferner ... »Teuflisches Zeug«, murmelte Wilt, der sich aus Versehen mal die Zähne damit geputzt hatte. »Dieses Entlaubungsmittel kommt nicht noch mal irgendwo an mich dran.« Damit blieb nur die Feuchtigkeitscreme oder gar nichts. Und gar nichts war keine Lösung. Von einer neuen Woge der Verzweiflung erfaßt, schlurfte er mit dem Cremetöpfchen in der Hand aus dem Bad, mühte sich die Treppen hinunter in die Küche und kramte in der Schublade neben der Spüle herum. Einen Augenblick später hatte er gefunden, wonach er suchte. Eva drehte sich oben im Bett um. Sie hatte schon eine Zeitlang das vage Gefühl gehabt, daß es ihr kalt am Rücken war, ohne jedoch richtig aufzuwachen. Doch nun merkte sie, daß außerdem das Licht brannte, der Platz neben ihr leer und die Decke zurückgeschlagen war. Das erklärte, warum sie gefroren hatte. Offenbar war Henry aufs Klo gegangen. Eva zog die Decke hoch und wartete auf seine Rückkehr. Vielleicht war er in der Stimmung, sie zu lieben. Schließlich hatte er zwei Flaschen Bier mit Dr. Kores’ Aphrodisiakum getrunken, und sie hatte ihr rotes Höschen angezogen, und außerdem war es viel angenehmer, sich mitten in der Nacht zu lieben, wenn die Vierlinge fest schliefen, als am Sonntag morgen, wenn dem nicht so war und sie aufstehen und die Tür zusperren mußten, um ungestört zu sein. Selbst das funktionierte nicht immer. Nie würde Eva jenen schauerlichen Tag vergessen, an dem Henry soweit war und ihr plötzlich Rauch in die Nase stieg und die Vierlinge ein Höllengeschrei anstimmten. »Feuer! Feuer!« hatten sie geplärrt, und sie und Henry waren wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett geschossen und auf den Gang gestürzt, wo die Vierlinge um Evas mit brennenden Zeitungen gefüllten Marmeladentopf herumhüpften. Es war eine der seltenen Gelegenheiten gewesen, bei denen sie Henry mit seiner Forderung nach einer gehörigen Tracht Prügel recht geben mußte. Nicht, daß die Vierlinge sie auch bezogen hätten. Sie waren die Treppe hinunter und zur Haustür raus, bevor Wilt sie erwischen konnte, und da er keinen Faden am Leib trug, war auch eine Verfolgung ausgeschlossen. Nein, nachts war es schon viel angenehmer, und Eva überlegte gerade, ob sie ihr Höschen schon jetzt ausziehen oder doch noch damit warten sollte, als lautes Geklirr ihren Gedankengang unterbrach. Eva kletterte aus dem Bett, schlüpfte in ihren Morgenmantel und ging hinunter, um nachzusehen, was los war. Im nächsten Augenblick waren sämtliche Gedanken an Liebe wie weggeblasen. Henry stand mitten in der Küche und hielt in einer Hand ihre Tortenspritze und in der anderen seinen Penis. Die beiden schienen irgendwie miteinander verbunden. Eva rang nach Worten. »Was glaubst du eigentlich, was du da machst?« fuhr sie ihn an, als sie die Sprache wiederfand. Wilt drehte ihr ein scharlachrotes Gesicht zu. »Machen?« fragte er im vollen Bewußtsein dessen, daß die Situation alle möglichen Interpretationen zuließ, von denen keine sonderlich hübsch war.
»Genau das habe ich dich gefragt«, entgegnete Eva. Wilt blickte auf die Spritze. »Also ich ...«, setzte er an, aber Eva kam ihm zuvor.
»Das ist meine Tortenspritze!«
»Das weiß ich. Und das ist mein John Thomas«, gab Wilt zurück. Eva betrachtete beide Objekte gleichermaßen angewidert. Sie würde es nie mehr fertigbringen, eine Torte mit dieser Spritze zu verzieren, und wie sie Wilts John Thomas jemals auch nur einen Funken Attraktivität hatte abgewinnen können, war ihr jetzt unbegreiflich. »Und zu deiner Information«, fuhr er fort, »was da auf dem Boden liegt, ist deine Feuchtigkeitscreme.«
Eva blickte starr auf den Cremetopf. Selbst gemessen an den ungewöhnlichen Sitten, die in der Oakhurst Avenue 45 herrschten, hatte diese Verbindung –
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