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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Wirtschaft und Industrie das Versäumnis, ihm einen verantwortungsreichen Job zu verschaffen, dem Richter seine Verurteilung ... »Er war ein Opfer der Lebensumstände«, sagte Mrs. Jardin. »Das könnte man von jedem sagen«, meinte Flint und betrachtete ein Eckschränkchen mit Silberzeug, das den Schluß nahelegte, daß Mrs. Jardins Lebensumstände ihr das nötige Kleingeld boten, das Opfer ihrer eigenen Sentimentalität zu werden. »Nehmen Sie zum Beispiel die drei Männer, die Ihnen angedroht haben, Sie zu ...«
    »Bitte nicht«, sagte Mrs. Jardin, die die Erinnerung daran schaudern ließ.
    »Das waren doch auch Opfer, oder etwa nicht? Und ein tollwütiger Hund ist es ebenso, aber das ist auch kein Trost, wenn Sie von einem gebissen worden sind. Und Drogendealer gehören für mich in dieselbe Kategorie.« Mrs. Jardin mußte ihm recht geben.
    »Sie würden sie also nicht wiedererkennen?« fragte Flint. »Na, wie sollten Sie auch, wenn sie sich Strümpfe übers Gesicht gezogen hatten, wie Sie behaupten.«
    »Das hatten sie. Und Handschuhe.«
    »Und sie haben Sie in die London Road geschleift und Ihnen gezeigt, wo das Zeug deponiert werden soll?«
    »Hinter der Telefonzelle gegenüber der Abzweigung nach Brindlay. Ich sollte in die Telefonzelle gehen und so tun, als würde ich anrufen, und wenn die Luft rein war, sollte ich sie wieder verlassen, das Päckchen an mich nehmen und geradewegs nach Hause gehen. Sie sagten, sie würden mich nicht aus den Augen lassen.«
    »Und wie ich annehme, ist es Ihnen nie in den Sinn gekommen, geradewegs zur Polizei zu gehen und Meldung zu erstatten?« fragte Flint.
    »Aber natürlich. Das war mein erster Gedanke, aber sie behaupteten, sie hätten mehr als einen Beamten gekauft.« Flint seufzte. Diese Taktik war uralt, und nach allem, was er so wußte, hatten die Saukerle nicht einmal gelogen. Heutzutage gab es weit mehr bestochene Bullen als früher, als er in den Polizeidienst eingetreten war, aber damals gab es ja auch nicht die großen organisierten Banden, noch das Geld, um Leute zu kaufen oder – falls das nicht funktionierte – einen Killer anzuwerben. Das waren eben noch die guten alten Zeiten, als für jeden ermordeten Polizisten einer aufgehängt wurde, auch wenn es den Falschen erwischte.
    Jetzt gab es, dank solcher Humanitätsapostel wie Mrs. Jardin und einem Christie, der auf der Zeugenbank saß und den geistig unterbelichteten Evans für Morde, die Christie selbst begangen hatte, an den Strick lieferte, keine Abschreckung mehr. Die Welt, wie Flint sie noch gekannt hatte, war über Bord gegangenund er konnte es dieser Dame eigentlich nicht verübeln, daß sie sich durch Drohungen hatte weichmachen lassen. Trotz allem würde er bleiben, was er immer gewesen war – ein aufrichtiger und hart arbeitender Polizeibeamter.
    »Aber wir hätten Sie doch unter Polizeischutz stellen können«, sagte er, »und von dem Moment an, da Sie Ihre Besuche bei McCullam eingestellt hätten, wären Sie sowieso nicht mehr behelligt worden.«
    »Das weiß ich jetzt auch«, sagte Mrs. Jardin, »aber damals hatte ich zuviel Angst, um klar denken zu können.« Oder überhaupt, dachte Flint, sprach es aber nicht aus. Statt dessen konzentrierte er sich auf die Prozedur der Übergabe. Niemand deponierte eine Ladung Heroin hinter einer Telefonzelle, ohne sich zu vergewissern, daß sie auch abgeholt wurde. Andererseits würde niemand anschließend noch dort herumlungern. Folglich mußte noch ein Nachrichtenweg existieren. »Was wäre passiert, wenn Sie krank geworden wären?« fragte er. »Nehmen wir mal an, Sie hätten das Päckchen nicht abholen können, was dann?« Mrs. Jardin sah ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Irritation an, die sie anscheinend angesichts eines Menschen empfand, der sich so beharrlich auf praktische Aspekte konzentrierte und darüber die moralische Seite vernachlässigte. Außerdem war er ein Polizist und wenig gebildet. Polizisten erhielten keine Absolution als Opfer. »Ich weiß es nicht«, entgegnete sie.
    Flint packte allmählich die Wut. »Steigen Sie bloß vom hohen Roß runter«, riet er ihr. »Sie können jammern, soviel Sie wollen, daß man Sie zu diesen Botengängen gezwungen hätte, aber wir können Sie jederzeit wegen Drogenhandels belangen und einbuchten. Also, wen sollten Sie anrufen?« Mrs. Jardins Widerstand brach zusammen. »Den Namen weiß ich nicht. Ich mußte eine Nummer anrufen und ...«
    »Welche Nummer?«
    »Eine Nummer eben. Ich kann mich nicht

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