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Henry dreht Auf

Henry dreht Auf

Titel: Henry dreht Auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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herausnahm, erlebte sie die nächste abscheuliche Überraschung. Die Wärmflasche war nicht nur nicht warm, sie war eiskalt. Und jetzt begann Wilt, der hinter ihr stand, auch noch beängstigend zu knurren. Mavis zögerte eine Sekunde, bevor sie sich umdrehte. Diesmal gab es hinsichtlich der Bedrohung, mit der sie konfrontiert war, keinen Zweifel mehr:
    Sie starrte ihr aus den Falten von Henrys Morgenmantel entgegen. Mit einem Aufschrei stürzte Mavis zur Hintertür, riß sie auf, schoß hinaus und raste, begleitet vom Scheppern herunterfallender Mülltonnendeckel, durch das Gartentor zu ihrem Wagen.
    Henry warf die Spritze wieder in den Eimer und versuchte, seine Hände aus den Gummihandschuhen zu befreien, indem er an den Fingern zog. Das war nicht die beste Methode, und so dauerte es einige Zeit, bis er die lästigen Dinger wieder los war und sich eine neue Wärmflasche aus dem Kühlfach holen konnte. »Zum Teufel mit diesem Weib«, murmelte er, während er die Gummiflasche an seine rebellische Männlichkeit drückte und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Wenn sie zur Polizei ging ... Nein, das sah ihr nicht ähnlich, aber trotzdem war es sicherer, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Hygiene hin oder her, er nahm die Wärmflasche aus der Spüle, warf sie ins Gefrierfach und schleppte sich nach oben. Wenigstens haben wir Mavis M. zum letztenmal gesehen, dachte er, als er wieder ins Bett schlüpfte. Das war zumindest ein kleiner Trost für den Ruf, der ihm zweifellos bereits voranzueilen begann. Doch wie üblich irrte er sich gewaltig.
    Zwanzig Minuten später hielt Eva, die von Mavis auf dem Nachhauseweg abgefangen worden war, vor dem Haus. »Henry«, schrie sie, sobald sie die Haustür geöffnet hatte. »Komm sofort runter und erklär mir, was du mit Mavis angestellt hast.«
    »Hau ab«, antwortete Wilt.
    »Was hast du gesagt?«
    »Nichts. Ich habe nur gestöhnt.«
    »Nein, hast du nicht. Ich habe genau gehört, daß du etwas gesagt hast«, schimpfte Eva auf dem Weg nach oben. Henry stieg aus dem Bett und gürtete seine Lenden mit der Wärmflasche. »Jetzt hör mir mal gut zu«, sagte er, bevor Eva zu Wort kommen konnte. »Ich habe die Nase voll von euch allen, dir, dieser schwachsinnigen Mavis Mottram, der Giftmischerin Kores, den Vierlingen und jenen verdammten Schnüfflern, die mir auf Schritt und Tritt folgen – eigentlich von der ganzen Welt, die sich darauf versteift, daß ich lieb und zahm und passiv bin, während alle anderen sich nur um ihren eigenen Kram kümmern und sich einen Dreck um die Folgen scheren. Erstens bin ich kein Ding, und zweitens werde ich mir ab jetzt nichts mehr gefallen lassen. Weder von dir noch von Mavis, noch, wo wir schon dabei sind, von den verdammten Vierlingen. Und ich gebe keinen Pfifferling darum, wenn du wie ein ausgetrockneter Schwamm die vorgekauten Meinungen aufsaugst, die irgendwelche Schreiberlinge über progressive Erziehung und Sex im Greisenalter und Gesundheit durch den Genuß von Schierling verbreiten ...«
    »Schierling ist giftig. Niemand ...«, begann Eva, um ihn von seinem Zorn abzulenken.
    »Und der ideologische Quatsch, mit dem du dir den Kopf vollstopfst, ist auch nichts anderes«, schrie Wilt. »Erlaubt sind Zyankali, Seitedrei-Nackedeis für die sogenannte Intelligenz oder brutale Videos für Arbeitslose, alles beschissene Placebos für Leute, die weder denken noch empfinden können. Und falls du nicht wissen solltest, was ein Placebo ist, dann schau im Lexikon nach.«
    Er machte eine Pause, um Luft zu holen, und Eva nutzte sofort die Gelegenheit. »Du weißt recht gut, was ich von brutalen Videos halte«, sagte sie, »und ich würde nicht im Traum die Mädchen so was anschauen lassen.«
    »So«, brüllte Wilt, »und wie steht es damit, daß ich und dieser dämliche Mr. Gamer um ein Haar abgekratzt wären? Ist es dir je in den Sinn gekommen, daß du auch ohne Videos mit diesen vier Töchtern tatsächlich echte Monster hast, frühreife Horrorweiber? Aber nein, die doch nicht. Die sind was ganz Besonderes, sind einzigartig, überragende Genies. Und wir dürfen um Himmels willen nichts tun, was ihre intellektuelle Entwicklung bremsen könnte, etwa ihnen ein Minimum an Manieren beibringen oder wie man sich halbwegs zivilisiert benimmt. O nein, wir sind ganz die modernen Bilderbucheltern, die gelassen mit ansehen, wie sich diese vier kleinen, gemeinen Wilden in computersüchtige Technokraten verwandeln, die ungefähr soviel Sinn für Moral entwickeln wie

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