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Herbert, James - Die Brut.pdf

Herbert, James - Die Brut.pdf

Titel: Herbert, James - Die Brut.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: TVB1
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zu vermitteln, beschäftigte sich das Institut auch mit absehbaren Problemstellungen von morgen. Trotzdem blieb das erklärte Ziel der Sonderlehrer am Institut die Erweckung eines ökologischen Bewusstseins bei den Kindern.
    Jenny Hanmer war eine der vier Lehrpersonen am Center, und sie hatte ihre heutige Klasse am Ufer um sich geschart. Da der Teich zum großen Teil von den Wipfeln der Bäume beschattet wurde, hatte sich im Lauf der Zeit reichlich totes Laub auf seinem Grund abgelagert, wodurch das Wasser sehr dunkel und trübe wirkte und die Vegetation sich auf Algen und einige wenige Flecken Sternmoos beschränkte. Trotzdem gab es in dem sauerstoffarmen Gewässer noch vielfältiges Leben: Wasserläuse, Schlamm-röhrenwürmer und Blutegel, Mückenlarven und rattenschwänzige Maden, Wassergrillen und -käfer. All diese Lebewesen hatte Jenny den Kindern im Klassenzimmer beschrieben. Es musste aufregend für die Kleinen sein, sich diese Tiere selbst aus dem Wasser zu fischen, noch aufregender aber, sie nachher im Zentrum unter dem Mikroskop betrachten zu können.
    »Sei vorsichtig!« rief Jenny einem abenteuerlustigen Neunjährigen zu, an dessen Namen sie sich nicht mehr erinnern konnte. Der Junge beugte sich gefährlich weit vor, um mit seinem Netz ein besonders interessant aussehendes Objekt aus dem Wasser zu angeln. Sie bedauerte, ihre Schüler nie als Individuen kennenzulernen, doch das war bei so vielen Schulklassen in der Woche mit jeweils fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Schülern unmöglich. Einige ältere Jahrgänge, bei denen die Examina zum Wechsel in die weiterführende Schulform anstanden, blieben manchmal mehrere Tage oder hatten Wochenkurse belegt, und zu ihnen konnte man tatsächlich so etwas wie eine Beziehung aufbauen. Nicht aber zu den jüngeren Schülern, bei denen es Jenny sicher mehr Spaß gemacht hätte.
    »Schon gut, Miss, ich reiche heran«, antwortete der junge und streckte sein Netz vor, soweit er konnte.
    »Patrick, geh sofort vom Ufer weg!« Der scharfe Befehl kam von der Klassenlehrerin des Jungen, einer kleinen, rundlichen Frau, bei der man nie sicher war, in welche Richtung sie schaute. Jenny hätte schwören mögen, sie spräche mit einem Jungen, der unbeteiligt ein Stück vom Ufer des Teiches entfernt stand.
    Schuldbewusst tat Patrick einen hastigen Schritt rückwärts. Er war sichtlich enttäuscht. »Jetzt kann ich es nicht mehr kriegen«, maulte er.
    »Sieh mal, dort!« Jenny deutete auf ein kleines Insekt, das auf der Wasseroberfläche herumkrabbelte. »Das ist ein Wasserläufer. Über den habe ich euch schon einiges im Klassenzimmer erzählt. Wenn es jetzt kälter wird, werden wir ihn kaum noch zu sehen kriegen.«
    Sie lächelte, während die Kinder die Köpfe reckten, in die Richtung ihres Zeigefingers spähten und triumphierend aufschrien, als sie das schnell vorwärtsschießende Insekt entdeckten. Es war sicher gut und schön, im Klassenzimmer über die Tiere zu sprechen, doch der Unterricht bekam eine ganz andere Dimension, wenn die Kinder dieses Leben in seiner natürlichen Umgebung beobachten konnten. Gleich klatschten fünf Netze ins Wasser, um den überrumpelten Wasserläufer zu fangen.
    Jenny lachte hell auf. »Nein, Kinder, wir suchen doch nach Algen. Ihr erinnert euch sicher noch, dass ich euch von diesen wurzellosen und blütenlosen Pflanzen erzählt habe? Wir suchen die Wimpernkugel oder Volvox, wie ihr lateinischer Name lautet. Mal sehen, ob ihr welche findet.«
    Die Kinder ließen von dem Wasserläufer ab, der eiligst der Teichmitte zustrebte.
    »Also, Kinder, nun macht schon, was Miss Hanmer sagt«, ermunterte die Lehrerin mit dem Silberblick ihre Schüler. Um ihren Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, klatschte sie in die Hände, kichernd sammelten sich die Kinder am schlammigen Teichufer.
    »Bleibt hier auf diesem Stück«, mahnte Jenny eindringlich.
    Wie ein Echo wiederholte die Lehrerin diesen Rat.
    »Vielen Dank, Mrs. Bellingham.« Jenny amüsierte sich insgeheim. »Sie haben wirklich gut erzogene Schüler.«
    Mrs. Bellingham lächelte geschmeichelt und ließ ihren Blick gleichzeitig in zwei verschiedenen Richtungen den Kindern folgen. »Man muss sie immer im Auge behalten, meine Liebe.«
    Jenny nickte, blinzelte und schaute von den seltsamen Augen ihrer Kollegin weg. »Anscheinend sind sie sehr gern hier.«
    »O ja, es ist ein toller Jux für sie.« Sogleich bemerkte Mrs. Bellingham ihren Fauxpas. »Und dabei so lehrreich«, fügte sie rasch hinzu.

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