Herbert, James - Die Brut.pdf
gewesen. Liebe und sexuelle Erfüllung hätten seine abartige Veranlagung mildern oder wenigstens in eine andere Bahn lenken können - was nicht unbedingt zutreffen musste.
Sie hatte sich gegen Ende seiner Pubertät bemerkbar gemacht, und es war ihm gelungen, seine merkwürdige Neigung vor allen zu verbergen. Einsame, stille Orte - Orte ohne Menschen - waren am geeignetsten, denn dort drohte nicht die Gefahr der Entdeckung. Doch im Verlauf der Jahre genügte ihm das nicht mehr, irgendetwas fehlte ihm. Und es währte nicht lange, bis er erkannte, dass es diese Gefahr war, die er vermisste. Genauer gesagt, den Reiz der Gefahr.
Brian Mollison war ein Exhibitionist, der gern seinen Körper zur Schau stellte - oder, um auch hier ganz präzise zu sein, seine Geschlechtsteile. Sich an verschwiegenen Orten den Elementen unbedeckt zu präsentieren, vermochte ihm anfangs Befriedigung zu verschaffen, doch sich den Blicken der Menschen auszusetzen, erregte ihn viel mehr, wie er eines Tages feststellte. Er war gerade erst an eine neue Schule gewechselt, wo er Sport unterrichtete. Seine Mutter, diese dumme Kuh, hatte vergessen, den Gummizug in seiner Trainingshose zu erneuern.
Während er den Jungen - es war eine Knabenschule - gerade demonstrierte, wie man aus einer geduckten Haltung dreißigmal hintereinander einen Strecksprung machen konnte, rutschte ihm die Hose bis zum Knie herab und enthüllte seinen Unterleib den Blicken der kichern-den Schüler.
Er hatte am Beginn einer beständigen Karriere gestanden - zumindest an dieser Schule - doch er bestrafte die Schüler für ihren Spott zu hart. Dabei entsprang sein Ausbruch eher der Notwendigkeit, seine Erregung zu tarnen, als wirklichem Zorn, denn er spürte sofort die Auswirkung des verbotenen Vergnügens, kaum dass er seine Hose wieder hochgezogen hatte. Es war ein Glück, dass der Trainingsanzug weit genug geschnitten war. Man könnte darüber diskutieren, ob er die Jungs ebenso hart angefasst hätte, wäre dieser Zwischenfall nicht geschehen, denn er befand sich ohnehin schon in einer unguten Ausgangsposition: Ohne die Liebe seiner Mutter - niemand auf der Welt hätte ihn geliebt.
All die Jahre hatte er seine Perversion sorgfältig versteckt, denn er war auf seinen Job als Leichtathletik-Trainer und Sportlehrer angewiesen, um sich und seine halb-invalide Mutter - diese dämliche Hexe - über Wasser zu halten. Auch das geringste Anzeichen seiner Abartigkeit hätte das sofortige Ende seiner Laufbahn bedeutet. Nicht dass er sich selbst für andersartig hielt - nein, seine Abartigkeit war mehr ein Hobby.
Die Fahrt in einer dichtbesetzten U-Bahn, bekleidet mit seinem weitgeschnittenen Regenmantel ohne Futter in den Taschen, war für ihn das reinste Vergnügen. Der Gedanke, dass nur eine dünne Stoffschicht sein stark erigiertes Organ von dem gegen ihn gepressten Frauenkörper trennte, ließ ihm fast die Knie weich werden. Dabei musste er besonders auf seine Atmung achten. Die Frauen merkten meist, was vorging - den eisenharten Druck an ihrem Körper konnte man kaum anders deuten, doch gewöhnlich wurden sie verlegen und stiegen verärgert an der nächsten Station aus oder drehten sich um und warfen ihm vernichtende Blicke zu, die er mit gleichmütigem Starren erwiderte. Sein grobes Aussehen - das kurzgeschnittene Haar, das kantige Kinn, seine gebrochene Nase, denn früher war er Boxer gewesen - behielt immer die Oberhand. Er war kein Mann, den man vorschnell anging-
Auch Kinos waren brauchbar. Er konnte mit klaffender Hose im Dunkeln sitzen, den Regenmantel über den Schoß gebreitet, jederzeit bereit, ihn im passenden Moment beiseite gleiten zu lassen, öffentliche Toiletten gaben ihm nicht so viel. Oft genug hatte er es schon versucht, mit dem Penis in der Hand am Urinalbecken gestanden, doch die Anwesenheit der anderen Männer mit der gleichen Beschäftigung, ob nun vorgetäuscht oder zur tatsächlichen Erleichterung, störte ihn einfach zu sehr.
Zweimal hatte sich jemand an ihn herangemacht, und er hatte Angst verspürt.
Bahnsteige eigneten sich ebenfalls, wenn Frauen allein auf einer Bank saßen. Dicht vor ihnen zu stehen und zu beobachten, wie ihre Körper vor Schreck erstarrten, war äußerst amüsant, doch unvergleichlich war der Genuss, wenn er dann langsam seinen Mantel aufknöpfte. Natürlich musste er sich dann sofort davonmachen, aber das allein war schon das halbe Vergnügen. Dabei bekam er Herzklopfen.
Niemals wieder würde er es in einem Eisenbahnwaggon
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