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Herbert, James - Die Brut.pdf

Herbert, James - Die Brut.pdf

Titel: Herbert, James - Die Brut.pdf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: TVB1
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witterten.
    Mit tränenverschleiertem Blick entdeckte Babs die her-ankriechenden schwarzen Schatten und erkannte sofort die Gefahr. Sie wollte Alan helfen, fürchtete sich aber zu sehr, wollte davonlaufen, doch vor Entsetzen war sie wie erstarrt. Stattdessen vergrub sie sich schutzsuchend unter dem Mantel, zog die Knie bis zur Brust an und umklammerte krampfhaft den Mantelsaum. Sie hatte schreckliche Schmerzen in ihrem Fuß, doch schlimmer war das Grauen in ihrem Kopf. Sie begann stockend zu beten, hoffte verzweifelt, diese Kreaturen, Ausgeburten der Hölle, würden von ihnen ablassen, wieder in der Dunkelheit der Nacht verschwinden. Doch Alans Schreie verkündeten ihr das Gegenteil. Und das Zerren am Mantel, dieses plötzliche scharfe Zubeißen machten ihr klar, dass die Ratten nicht ruhen würden, ehe sie Alan und sie selbst getötet hatten.
    Als die scharfen Zähne sich in ihr Fleisch gruben und die Agonie ihren Körper streckte, sah sie plötzlich Reg und die Jungs am Esstisch und hörte den jüngeren Sohn Kevin sagen: »Mami kommt zu spät, Dad... Mami kommt zu spät... Mami kommt zu spät...«
    Es war weit nach Mitternacht, und schon seit mindestens einer Stunde drang kein Laut mehr aus dem Zelt.
    Es stand einsam, wie eine Schildwache aus Leinwand, am Rand eines großen Feldes, hinter dem sich dunkel der Wald erhob. Reif lag auf den Grashalmen ringsum, doch im Zelt war es warm und behaglich, die Körper-wärme der Jungen erwies sich als kleine Zentralheizung. Ein kleines Nachtlicht flackerte in der Zeltmitte und warf unförmige Schatten der sieben tief in ihren Schlafsäcken eingemummten Knaben und ihres Aufsehers an die Zeltwände. Nur zu bald würde sie die beißende Morgenkälte wieder aus ihren wärmenden Hüllen treiben.
    Gordon Baddeley, der Erzieher, schlief auf der Seite, einen Fuß von dem nächsten Jungen entfernt, als sollte dieser Zwischenraum die Autorität seiner Person symbolisieren. Gordon hielt solche abstrakten Symbolismen für wichtig.
    Die Jungs, alle im Alter zwischen zwölf und fünfzehn, lebten im Barnardo-Heim in Woodford und absolvierten hier gerade ihre >Überlebenswoche in der Wildnis<. Das Überleben war nicht schwierig, denn der nächste Laden lag kaum zwei Meilen entfernt, und in diesem Teil von Epping Forest tummelten sich bekanntlich keine Löwen, Tiger oder Krokodile. Trotzdem glaubten die jüngeren, dass in dieser Gegend Bären frei herumstreiften.
    Außer ihnen befand sich kein Mensch auf diesem Fleckchen Erde, das nicht als offizieller Waldcampingplatz aus-gewiesen war. Ein mildtätiger Lord Soundso - die Jungs vergaßen immer wieder seinen Namen - hatte dem Woodford-Waisenhaus dieses Stück Land aus seinem Besitz für die Campingwochen zur Verfügung gestellt. Da er selbst nicht auf seinem Gut lebte und seine Ländereien den hiesigen Bauern verpachtet hatte, blieb er für die Knaben immer nur eine mythische Gestalt, verschwommen und unbestimmt - wie Gott.
    Gordon Baddeley war vor wenigen Jahren selbst noch ein Barnardo-Zögling gewesen und diente, wie jedermann behauptete, als leuchtendes Beispiel für charakterliche Gradheit und Ehrbarkeit, die man auch als Waisen-knabe erlangen konnte. Nach nur drei Jahren in der freien Welt außerhalb der Mauern des Waisenhauses, in denen er als Regalauffüller in einem Supermarkt gearbeitet hatte und schließlich zum Abteilungsassistenten für Gefrier-fleisch avanciert war, kehrte er dem persönlichen Erfolg den Rücken und trug seine Dienste dem Waisenhaus an, um den unterprivilegierten Menschen seines Schlages zu helfen. Das Waisenhaus nahm ihn mit offenen Armen auf, obwohl es nicht üblich war, ehemalige Zöglinge ins Heimpersonal einzugliedern. Aber Gordon war eben ein besonderer Junge gewesen - wohlerzogen, mit sanfter Stimme, fleißig, ohne äußerlich erkennbare Probleme, ein Musterknabe, den das Personal vorzeigen konnte. »Sehen Sie, unser System funktioniert. Auch wenn wir den Kindern nicht die Liebe und Zuneigung wirklicher Eltern geben können, so machen wir doch aus ihnen solch ausgeglichene junge Menschen.«
    Die anderen Jungen hielten ihn keineswegs für einen Weichling. Im Gegenteil, sie bezeichneten ihn respektvoll als harte Nuss. Er war freundlich, aber bestimmt, konnte grob werden, lustig, wenn ihm danach war, und ernsthaft, wenn andere es wünschten. Er war nicht jähzornig, besaß keine anerzogenen Unarten, schien alle Leute zu mögen, und alle mochten ihn. Alles in allem, so sagte man, sei er der perfekte

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