Herbert, James - Die Brut.pdf
hinübergeschoben. Er packte die Lampe, erstarrte aber mitten in der Bewegung, als er wieder das leise Kratzen vernahm.
Mit einem leisen Stöhnen hämmerte er das schwere Kopfteil der Lampe gegen die Ausbuchtung in der Zeltwand, die sofort schlaff wurde. Das Tier hatte offensichtlich die Flucht ergriffen. Er glaubte, bei seinem Schlag einen quiekenden Schrei vernommen zu haben, war sich aber nicht sicher. Vielleicht hatte er sich den Laut auch nur eingebildet.
Gordon schaltete die Taschenlampe ein, schirmte ihren Schein gegen das Zeltinnere mit seinem Körper ab und beleuchtete den unteren Teil der Zeltplane. Er kroch wieder tiefer in seinen Schlafsack, ließ aber die Lampe brennen und untersuchte den schlaff hängenden Stoff auf Risse.
Nein, die Plane war unversehrt. Um ein Loch hineinzureißen, bedurfte es eines stärkeren Tieres als eines neugierigen alten Fuchses. Gordon entspannte sich, sein Atem ging bald wieder gleichmäßiger. Sein Daumen glitt über die glatte Rundung der Lampe zum Schalter, um das Licht zu löschen. Genau in diesem Moment warf sich ein schwerer Körper gegen die Seitenwand des Zeltes, die Einbuchtung lag genau im Zentrum des Lichtstrahls.
Das Kratzen wurde wütender. Starr vor Schreck beobachtete Gordon, wie durch ein Loch in der Plane eine lang-gebogene Klaue sichtbar wurde. Mit einem heftigen Ruck zerriss die Plane bis zum Boden, dann verschwand die Klaue, wurde ersetzt durch kleine, sich bewegende Auswüchse beiderseitig des Risses. Gordon schrie laut auf, als plötzlich zwei Klauen auftauchten und den Stoffstreifen zwischen sich regelrecht zerfetzten. Ein schwarzer Körper mit borstigem Fell schoss durch die Öffnung, sprang Gordons ungeschütztes Gesicht an und vergrub seine Fänge tief in seinem Kiefer. Der Anprall warf Gordon zurück, und zusammen mit der Bestie rollte er auf die in ihren Schlafsäcken gefangenen, entsetzten Jungen zu.
Sie schrien wild durcheinander, konnten nicht erkennen, was da mit ihrem Erzieher passierte, denn der Strahl der Taschenlampe beleuchtete nutzlos die Falten eines Schlafsacks, und das Nachtlicht war zu schwach, um die Dunkelheit im Zelt zu erhellen. Der Junge in dem angeleuchteten Schlafsack bekam einen Arm frei und griff nach der Taschenlampe. Er leuchtete den schreienden Gordon an, doch keiner der Jungen erkannte, was da im blutüberströmten Gesicht ihres Erziehers hing. Ein Junge, der nahe der Zeltwand lag, begann zu schreien, als er etwas Schwarzes durch ein klaffendes Loch in der Zeltplane kriechen sah.
Der Junge mit der Taschenlampe leuchtete in seine Richtung. Gordon schluckte das eigene Blut, während er versuchte, die Kreatur von seinem Gesicht zu schlagen.
Ihre Klauen zerfetzten in rasendem Wirbel seine Brust.
Das Biest hatte seine Fänge tief in den Unterkiefer gegraben, es ließ sich nicht losreißen.
Er wusste, das Wesen hatte die Kraft, ihn zu töten, doch was er sah, ließ ihn fast automatisch handeln, so als ob er das Leben wieder einmal durch eine Glasscheibe betrachtete. Nur befand er sich diesmal mitten im Geschehen - er gehörte zu diesem Leben - und diese schwarzen Wesen waren die Eindringlinge, die durch das Glas brachen, um seine Welt zu verderben. Er wusste, dass er sie aufhalten musste.
Der Schmerz raubte ihm fast die Sinne, als er seinen Körper auf das Loch zurollte und die Kreatur mit sich herumriss. Er fühlte, wie sein Kinnknochen barst und splitterte, das Blut lief ihm in die Kehle und erschwerte das Atmen. Doch sein Geist schien von seinem Körper losgelöst, hämmerte ihm immer wieder denselben Befehl ein: Halte sie auf, blockiere das Loch mit deinem Körper!
Er fühlte, er war am Ziel, wusste, dass sein Rücken das Loch verdeckte und die Bestien daran hinderte, ins Innere des Zeltes zu schlüpfen. Er wusste, dass sie ihn auffraßen, dass ihre Zähne an seinem Rücken nagten, sich um sein Rückgrat herum festbissen und an seinem Fleisch zerrten.
Er wusste, das Biest in seinem Gesicht hatte sich mit den Zähnen in seinem Kinn verfangen, es hing fest und schlürfte trotzdem gierig sein Blut, raubte ihm seinen Lebenssaft. Aber er wusste nicht, dass sich überall an den Zeltwänden neue Höcker bildeten, hörte das Reißen der Plane nicht, das im Geschrei der Kinder unterging...
Die Morgendämmerung umgab die Wipfel der Bäume mit einem goldenen Schimmer, während sich die Sonnenstrahlen durch die letzten Schleier des Nachtnebels kämpften. Es war nicht ungewöhnlich, Reverend Jonathan Matthews zu so früher
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