Herbert, James - Die Brut.pdf
die Scheibe, schirmte mit einer Hand die Augen gegen die Helligkeit ab und starrte durch den Schatten ihres Körpers hinaus in die Nacht.
Im nächsten Moment explodierte die Scheibe vor ihrem Gesicht.
Pender und Jenny betraten gerade das Institutsgebäude, als sie das Splittern der Scheibe und den schrillen Aufschrei hörten. Erschrocken schauten sie sich an, hasteten dann in den Empfangsraum und stießen dort auf Will Aycott.
»Wo kam das her?« fragte Pender und packte den jungen Tutor am Arm.
»Vom anderen Ende des Hauses, aus einem der Klassenzimmer.«
»Schnell, kommen Sie!« Pender hetzte den Gang entlang. Jenny und Will hefteten sich an seine Fersen. Sie erreichten den erhellten Klassenraum, aus dem ihnen Schreie und krachende Geräusche entgegentönten.
»Es ist Jan!« rief Jenny, die das Schlimmste befürchtete.
Pender blieb im Türrahmen stehen, seine Augen weiteten sich, die Haut über den Wangenknochen spannte sich.
Die zwei Tutoren drängten ihm nach, doch er hielt sie davon ab, den Raum zu betreten. Jenny schrie entsetzt auf bei dem Anblick, der sich ihnen bot.
Jan Wimbush rutschte über den Boden auf die Tür zu.
Ihre Brille hatte sie verloren, ihr Gesicht war blutüberströmt. Glassplitter hatten sich in Wangen und Stirn gebohrt und blitzten wie silberne Spitzen im Licht. Blut tropfte von ihren Armen, und auf der Brust breitete sich ein dunkelroter Fleck aus. Kraftlos hob sie einen Arm, als flehte sie um Hilfe, aus ihrem Mund drangen gurgelnde Laute. Auf ihrem Rücken hockte eine riesige, teuflisch aussehende schwarze Kreatur und drückte durch ihr Gewicht den Körper des Mädchens zu Boden. Ihren Kopf hatte sie tief in die Haare über dem Nacken vergraben, und der Leib zuckte hin und her, während die Bestie das Blut der Frau schluckte.
»Großer Gott, Luke, tu was!« Jenny schaute dem Rattenjäger ins Gesicht. Es war eine Maske puren Hasses.
»Hol Hilfe, Jenny«, sagte er mit fester Stimme. »Aber verlass das Haus auf keinen Fall. Benutz das Telefon.«
Sie stand wie angegossen da und starrte auf die grässliche Szene.
Er stieß sie herb an. »Beeil dich!«
Pender fuhr zu Will herum, spürte fast greifbar die Angst des jüngeren Mannes, wusste aber auch irgendwie, dass der Junge den Mut aufbringen würde, vorzustürmen und den Kampf mit dem Ungeheuer aufzunehmen.
»Um Himmels willen, wir müssen ihr helfen!« schrie Will.
Pender machte eine Kopfbewegung zum Fenster hin-
über. »Sehen Sie mal!«
Auf dem Arbeitspult vor dem zerschmetterten Fenster hockte eine zweite Ratte sprungbereit auf den Hinterläufen und starrte sie mit ihren kalten, bösen Augen an.
Plötzlich tauchte eine dritte neben ihr auf.
Jans Schreie erstarben zu einem leisen, herzzerreißenden Stöhnen. Sie schob sich immer noch Stück für Stück über den Boden, der Schmerz in ihrem Nacken trieb sie vorwärts. Ihre Augen hielt sie starr auf die beiden verschwommenen Gestalten gerichtet, von denen sie sich Hilfe erhoffte. Mit einer Hand versuchte sie nach hinten zu greifen, um sich von der tödlichen Last zu befreien, doch die Bestie ließ sich von diesen verzweifelten Bemühungen nicht im Geringsten stören.
»Wir müssen erst die beiden da drüben loswerden«, murmelte Pender mit verbissener Miene und versuchte die leisen Schreie des Mädchens zu überhören.
»Aber Jan...«
»Die beiden Teufel greifen sofort an, wenn wir ihr zu helfen versuchen. Kommen Sie, wir müssen uns beeilen, wenn wir verhindern wollen, dass noch mehr hier eindringen.« Pender zog den Jungen zu den zusammengeschobenen Tischen in der Mittel des Klassenzimmers hinüber.
»Los, packen Sie die zwei Beine. Wir benutzen den Tisch als Rammbock.«
Sie rissen den Tisch hoch. Pender warf einen Blick zu der zerborstenen Scheibe hinüber. Dort saßen jetzt drei Ratten. Er wusste, sie würden jeden Augenblick angreifen.
Ihre Hinterläufe lagen eng am Körper an, die Muskeln spannten sich. »Jetzt!« Die beiden Männer rannten, den Tisch als Schutzschild vor sich, auf das Fenster zu. Sie stießen die dicke Platte mit aller Kraft den Bestien entgegen und trafen sie mitten im Sprung. Die Ratten prallten hart gegen den Schild und wurden durch das Loch in der Scheibe hinaus in die Nacht geschleudert. Nur einer gelang es, sich in einer dunklen Ecke unter der Arbeitsplatte am Fenster zu verkriechen.
»Drücken Sie den Tisch gegen den Fensterrahmen, Will. Lassen Sie sie nicht mehr herein. Ich kümmere mich um das Mädchen!«
Der Tutor nickte nur, als
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