Herbert, James - Die Brut.pdf
gehen.«
Er lächelte über ihren Versuch zu scherzen. »Und dann lerntest du Vic Whittacker kennen.«
»Ich sagte dir schon, dass nichts zwischen uns ist. Er ist ein netter, interessanter Mann, doch ich habe in ihm niemals etwas anderes als einen guten Kollegen gesehen.«
»Darüber bin ich froh, Jenny.«
Sie vergrub den Kopf an seiner Brust, ihre Arme umfingen ihn. »Und ich bin glücklich, dass du ins Center gekommen bist. Wieder eine Ironie des Schicksals - dass etwas so Schreckliches dich hierhergeführt hat. Ich bin fast dankbar dafür, dass die Ratten den Wald heimgesucht haben.
Versteh mich bitte nicht falsch, Luke, ich will dir keinerlei Verantwortung für mich aufbürden - aber allmählich erwache ich wieder zum Leben. Die Vergangenheit ist vielleicht noch nicht ganz tot, aber in eine andere Zeit verschwunden. Ich bitte dich nur um eines - sei ehrlich zu mir.«
Er schob ein Bein zwischen ihre Schenkel und drückte sie an sich. Lange Zeit lagen sie so da, hielten sich aneinander fest, und die Berührung ihrer Körper war ein Versprechen.
»Ich könnte dir leicht einiges dazu sagen«, flüsterte er, »aber laß mir noch ein wenig Zeit. Ich möchte hier erst meine Aufgabe erledigen, ich muss sicherstellen, dass auch der letzte Mutant vernichtet wird.«
»Hasst du sie wirklich so sehr, Luke?«
»Es gab eine Zeit, da glaubte ich keinen Raum mehr zu haben für ein anderes Gefühl. In diesem Punkt unterminierst du meinen Hass, Jenny, und das darf ich nicht zulassen, bis alles vorbei ist.«
Und er erzählte ihr, warum er die Nager so verabscheute, wie sie vor Jahren Vater, Mutter und seinen jüngeren Bruder getötet und so zugerichtet hatten, dass kaum noch etwas von ihren Körpern zur Beerdigung übriggeblieben war. Wie er Howard angefleht hatte, ihm eine Anstellung bei Ratkill zu verschaffen, wo er alles Ungeziefer, nicht nur die Mutanten, bekämpfen und dafür sorgen wollte, dass eine Katastrophe solchen Ausmaßes niemals mehr geschehen konnte.
Jenny weinte, während er sprach, teils aus Mitleid, teils aus einer traurigen Freude heraus, dass er mit ihr über Dinge sprach, die er jahrelang tief in seinem Innern vergraben hatte. Als er schließlich schwieg, drückte sie ihn so lange fest an sich, bis sein Körper sich wieder lockerte und seine Anspannung nachließ. Zu diesem Zeitpunkt wusste er längst, dass er sie liebte, und doch durfte er es sich selbst nicht eingestehen, weil er fürchtete, er würde ohne eine letzte Barriere zwischen ihnen nicht mehr den Mut aufbringen, das zu tun, was er tun musste. Sie würde versuchen, ihn daran zu hindern.
Trotzdem erzählte er ihr wenig später, als sie neben seinem ausgestreckten Körper auf dem Bett kniete und seine Verletzungen mit Salbe einrieb, von dem Auftrag, den er in den nächsten Tagen erledigen sollte. Ihre Hand blieb in der Luft hängen, sie schaute bestürzt auf ihn herab. »Aber das muss doch nicht sein. Sie können die Kanalisation mit ihren Pumpen von dem Ungeziefer befreien. Warum, Luke? Warum sollst du nach unten steigen?«
»Ich muss nach etwas suchen. Frag mich bitte nicht, wo-nach - ich darf es dir nicht sagen. Ich muss die Kanäle absuchen, ehe sonst jemand hinunter darf. Dabei bin ich nicht allein. Captain Mather begleitet mich. Außerdem besteht dort unten keine Gefahr mehr für mich.«
»Woher willst du das so genau wissen? Wie kann man bei diesen Monstern überhaupt etwas mit Bestimmtheit wissen?«
Genau diese Frage hatte er sich selbst an diesem Abend schon oft gestellt.
Sie stiegen mit Atemschutzgeräten in die Kanalisation hinunter. Der Gestank der verwesenden Tierkadaver, der aus dem geöffneten Einstiegsloch drang, hatte ihre ungeschützten Helfer regelrecht in die Flucht geschlagen.
Pender und Captain Mather kletterten an der Metalleiter in die Finsternis hinab. Beide Männer kämpften heftig gegen ihre natürliche Furcht an, erwarteten jeden Augenblick das Scharren klauenbewehrter Pfoten und das kreischende Quieken ihrer Feinde zu hören. Sie hatten drei Tage verstreichen lassen und sich dann entschlossen, hin-unterzusteigen. Drei lange Tage hatte man ständig Cyanid in die Kanäle geblasen, hatten die Horchposten vor ihren Geräten gesessen und in die Tiefe gelauscht, hatten alle gebetet, die tödliche Rattenplage möge endgültig ausgestanden sein. Oberirdisch hatte man keinerlei Spuren der Bestien mehr entdecken können, doch die Soldaten und die am Einsatz beteiligten Männer blieben wachsam, suchten mit den Augen
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