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Herbst - Ausklang (German Edition)

Herbst - Ausklang (German Edition)

Titel: Herbst - Ausklang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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darüber hinaus seltsam tröstlich, als er die Seiten raschelnd umblätterte. Sogar der Rätselabschnitt, ein Teil der Zeitung, mit dem er sich früher selten beschäftigt hatte, war ihm in den vergangenen zwei Monaten eine Hilfe dabei gewesen, sich die endlosen Stunden zu vertreiben, indem er seinen Geist mit sinnlosen Belanglosigkeiten ausfüllen konnte. Indem er sich auf Kreuzworträtsel, Sudokus, Anagramme und dergleichen konzentrierte, konnte er damit aufhören, darüber nachzudenken, was für eine unbarmherzige Hölle sein Leben geworden war.
    An diesem Tag erzielte die Zeitung nicht dieselbe Wirkung. Frustriert warf er sie quer durch den Bus. Sie prallte gegen ein Fenster auf der anderen Seite, die Seiten landeten überall verstreut.
    Am fernen Ende des Parkplatzes befanden sich ein kleines Café und Toiletten. Driver beschloss, sich dort umzusehen. Im Café stieß er auf die schürzentragende Leiche einer jungen Frau, die in dem beengten Raum hinter der Theke gefangen war, auf allen Seiten von Hindernissen umgeben. Sie lehnte zusammengesunken an der Wand. Als sie ihn erblickte, begann sie, sich zu bewegen. Ihre brüchigen Knochen erwachten zum Leben, und sie rappelte sich mühsam auf. Sie warf sich vorwärts und streckte sich über die brusthohe Glasvitrine, griff mit fuchtelnden Armen nach ihm. Einen Moment lang betrachtete er eingehend ihr bleiches Gesicht, das kurz zwischen ihren wild zappelnden Gliedmaßen auftauchte. Er versuchte, sich vorzustellen, wie sie ausgesehen haben mochte, bevor sie gestorben war, doch es erwies sich als unmöglich. Stellenweise war ihre stark verfärbte Haut ausgetrocknet und vorzeitig runzlig geworden, bedeckt von einer Schicht aus Staub und glitzernden, silbrigen Spuren von Insektenbefall. Mehrere Zähne schienen ihr ausgefallen zu sein, da das verdorrte Zahnfleisch sie nicht mehr halten konnte. Etwas an den großen, schwarzen Lücken in ihrem Mund erfüllte Driver in selbem Maße mit Traurigkeit und Abscheu. Er erinnerte sich an eine junge Frau, die er einmal gekannt hatte, Rachel, die Tochter eines Freundes, die bei einem Unfall ihre Vorderzähne verloren hatte. Er wusste noch, wie wichtig Rachel ihr Aussehen gewesen war und dass der Verlust ihr Selbstvertrauen völlig zerstört hatte. Während er in die Augen der toten Frau starrte – milchig-weiß, wie von grauem Star befallen –, kam ihm Rachel unwillkürlich in den Sinn. Ein großer, halbrunder Hautlappen mit brüchigen, an Stroh erinnernden Haaren hatte sich seitlich von ihrem Kopf geschält und hing über eines ihrer Ohren. Früher war dies eine junge Frau gewesen, die das ganze Leben noch vor sich hatte, eine junge Frau wie Rachel, dachte er. Und nun war das aus ihr geworden. Was für eine grausame Seuche.
    Die Leiche fuchtelte erneut nach ihm, und er wich überrascht einen Schritt zurück. Nachdem er sie so eingehend betrachtet hatte, änderte er nun die Taktik und bemühte sich stattdessen, sie völlig zu ignorieren. Er bückte sich und schlug mit dem Ellbogen die Vorderseite der Vitrine ein, nahm sich, was er an noch Essbarem finden konnte, und stopfte es in seinen Seesack. Dabei griff er durch das zerbrochene Glas und schnappte sich die einzelnen Artikel mühelos zwischen den ungestümen, unkoordinierten Angriffen der Toten.
    Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sich keine Leichen darin befanden, benutzte Driver die Toilette an der Rückseite des Cafés. Er musste dringend, und das dunkle, wenig einladende Gebäude stellte immer noch eine etwas ansprechendere Möglichkeit dar, als sich zum Kacken ins Gebüsch zu hocken. Dennoch hasste er jede Sekunde davon. Es jagte ihm Angst ein, ließ ihn sich fühlen, als wäre er plötzlich wieder ein Kind, das sich vor einem in der Ecke lauernden Monster fürchtete. Er wusste nicht recht, was die schlimmere Option darstellte – in völliger Finsternis zu tun, was er tat, oder die Tür offen zu lassen und mit der Hose um die Knöchel völlig ungeschützt auf dem Lokus zu sitzen. Als er endlich fertig war, wischte er sich die Hände im taunassen Gras neben dem Gebäude ab. Dabei stieß er auf die Überreste eines kleinen, an einem Pfosten angebundenen Hundes. Das arme kleine Tier war so ausgedorrt wie die leere Wasserschüssel neben ihm, und sein Körper sah aus, als wäre er in der eigenen Haut vakuumverpackt worden. Die Rippen zeichneten sich deutlich durch das ab, was noch vom kurzen, grauen Fell übrig war, und die vertrockneten Augen quollen aus den Höhlen. Die

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