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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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begonnen hatte, in das Haus zu kriechen, hatte er sich besser gefühlt. Die unbehagliche Angst war rasch durch das unbehagliche Gefühl der Verlegenheit ersetzt worden, während der Nacht überhaupt solche Angst empfunden zu haben. Irgendwann in den langen, soeben verstrichenen Stunden, als draußen der heulende Wind ungemein heftig und wild durch die Bäume gefegt hatte, hatte er sich die Ohren zugehalten, die Augen zugepresst und mit ganzem Herzen gehofft, er würde einschlafen und an einem anderen Ort erwachen. Obwohl niemand ihn dabei gesehen oder gehört hatte, empfand er im kalten Licht des Tages Scham darüber, sich einen solchen Riss in seinem harten, hochmütigen Äußeren gestattet zu haben.
    Es war ein robustes und sicheres Haus, somit bestand eigentlich kein Grund zur Sorge. Trotz allem, was Michael sich in der Dunkelheit eingebildet hatte, war es nichts und niemandem gelungen, in die Penn Farm einzudringen. Schlaftrunken wankte er in die Küche und zündete den Gasofen an. Das stete, leise Summen des Brenners wirkte sonderbar tröstlich und beruhigend, und Michael war froh darüber, dass die schwermütige Stille des frühen Morgens endlich durchbrochen wurde. Etwas entspannter kochte er einen Kessel voll Wasser und braute sich einen Becher starken, schwarzen Kaffee, den er rasch trank. Anschließend bereitete er sich ein Frühstück zu, brachte jedoch nur wenige Bissen hinunter.
    Gelangweilt, müde und rastlos suchte er verzweifelt nach einer Beschäftigung. Wie er unlängst bereits schmerzlich festgestellt hatte, neigte in diesen Tagen jede tatenlose Minute dazu, sich wie eine Stunde anzufühlen, jede Stunde wie ein Tag.
    Eine offene Tür führte von der Küche in einen großen Nutzraum, den Michael ziellos betrat. In der entferntesten Ecke des Raumes türmten sich leere Kartons und anderes Gerümpel, das sie noch nicht entsorgen konnten oder für das sie noch keinen Platz gefunden hatten. Alle drei hatten diesen Raum als den unbedeutendsten im Haus empfunden und ihm daher wenig Aufmerksamkeit geschenkt, außer dass sie ihn als Zwischenlager verwendet hatten. Kurz überlegte Michael, ob er versuchen sollte, etwas Ordnung zu schaffen, konnte sich jedoch nicht dazu überwinden. Er wollte zwar etwas tun, aber es musste etwas Interessantes sein. Michael brauchte mehr als etwas, das ihn nur ablenken würde. Er wollte etwas, das seine Fantasie anregen und seine Aufmerksamkeit vollständig fesseln würde.
    Hoch an der Wand gegenüber der Tür, durch die er eingetreten war, befand sich eine Ablage aus Holz. Es handelte sich um wenig mehr als ein verzogenes Brett auf drei rostigen Halterungen, auf dem sich Gerümpel stapelte. Neugierig zog Michael sich einen Stuhl herbei und stieg hinauf, um sich die Ablage näher anzusehen. Auf den ersten Blick offenbarte sich wenig Interessantes – ein paar alte Gartenwerkzeuge und Chemikalien, ausgebleichte, vergilbte Bücher und Zeitungen, Gläser voller Nägel, Bolzen und Schrauben und dergleichen. Dann jedoch stolperte er über eine unerwartete, unverkennbare Form – den Kolben eines Gewehrs. Vorsichtig zog er die Waffe heraus und verharrte. Während er auf dem wackeligen Stuhl das Gleichgewicht hielt, bewunderte er das mit Spinnweben und Dreck bedeckte Stück. Instinktiv griff er empor und tastete erst nach links, dann nach rechts, wo er das Gewehr gefunden hatte, die Ablage entlang. Schließlich schlossen sich seine vollständig ausgestreckten Finger um eine staubige Schachtel, die er näher heranzog. Mittlerweile auf Zehenspitzen und mit dem Gewehr unter den Arm geklemmt öffnete er den Deckel der Schachtel und stellte fest, dass sie Munition enthielt. Wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug ergriff er die Schachtel, sprang vom Stuhl und trug seinen Fund in die Küche.
    Emma stand um halb neun auf, Carl eine Dreiviertelstunde später. Beide fanden Michael am Küchentisch sitzend vor, wo er sorgsam das Gewehr reinigte. Mittlerweile arbeitete er seit über zwei Stunden daran und war beinah fertig.
    Als Emma eintrat, schaute Michael zu ihr auf und fand, dass sie müde aussah. Er fragte sich, ob sie ebenso wenig geschlafen hatte wie er. Obwohl sie die Nacht unmittelbar nebeneinander verbracht hatten, hatte er nicht gewagt, sie in der Dunkelheit zu stören.
    »Was machst du denn da?«, fragte sie ihn, nachdem sie einen dringend notwendigen Becher Kaffee geholt und getrunken hatte.
    »Das hier habe ich vorher gefunden«, erwiderte er und unterdrückte ein Gähnen. »Ich

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