Herbst - Beginn
und instinktiv. Mir wurde beigebracht, dass es mitten im Gehirn einen geleeartigen Klumpen gibt, in dem die Instinkte sitzen könnten. Unter Umständen ist das der Teil, der noch in ihnen lebt.«
»Aber letzte Nacht haben sie mich nicht angegriffen«, gab Michael zu bedenken. »Ich bin mitten durch die Mistkerle durchgegangen.«
»Vielleicht haben sie letzte Nacht erst angefangen, auf ihre Umgebung zu reagieren. Es könnte eine allmähliche Entwicklung sein. Nach dem zu urteilen, was du mir erzählt hast, sind sie womöglich erst seit ein paar Stunden so.«
»Das hört sich für mich nach Blödsinn an«, fauchte Carl wütend.
»Mag sein«, räumte Emma ein. »Aber wenn du eine bessere Erklärung hast, will ich sie mir gerne anhören. Eines Morgens kippen alle tot um. Ein paar Tage später steht die Hälfte der Opfer auf und wandelt umher. Wieder ein paar Tage später beginnen sie, auf die Außenwelt zu reagieren, und ihre Augen und Ohren funktionieren wieder. Du hast völlig Recht, Carl, das stinkt zum Himmel. Es hört sich tatsächlich wie kompletter Blödsinn an.«
»Aber es geschieht«, warf Michael ein. »Egal, wie lächerlich oder weit hergeholt es klingt, es geschieht da draußen vor unseren Nasen.«
»Ich weiß, aber ...«, setzte Carl an.
»Kein aber«, schnitt Michael ihm das Wort ab. »Das sind Tatsachen, und wir müssen damit zurechtkommen. So einfach ist das.«
Damit endete das Gespräch abrupt, und Stille kehrte im Haus ein. Eine Stille, die an Carls Nerven zehrte.
»Warum hat dieses Ding dich angegriffen«, fragte er schließlich, sah Michael unverwandt an und hoffte auf eine Antwort, von der er wusste, dass sein Gegenüber sie ihm nicht geben konnte.
»Keine Ahnung«, erwiderte Michael.
»Ich bin überzeugt davon, dass sie als Erstes auf Geräusche reagieren«, meldete Emma sich zu Wort. »Sie hören etwas und halten darauf zu. Sobald sie erkennen, was es ist, versuchen sie, sich ihm zu nähern.«
»Das ergibt Sinn«, meinte Michael.
»Tut es überhaupt nicht«, murmelte Carl, doch Michael ignorierte ihn und fuhr fort.
»Der Lärm des Generators letzte Nacht, der Schuss vorhin ...«
»Also brauchen wir bloß leise zu sein und uns nicht sehen zu lassen«, sagte Emma und seufzte.
»Und wie sollen wir das anstellen?«, verlangte Carl plötzlich und unerwartet heftig zu erfahren. »Woher willst du ein lautloses Auto kriegen? Was willst du tun – losziehen und unser Essen mit beschissenen Fahrräder holen? Und dabei einen Tarnanzug tragen?«
»Halt die Klappe«, forderte Michael ihn ruhig, aber mit Nachdruck auf. »Du musst versuchen, dich mit der Situation abzufinden, Carl.«
»Komm mir bloß nicht besserwisserisch, du Arschloch«, fauchte Carl.
»Schluss damit!«, zischte Emma, stand auf und stellte sich zwischen die beiden Männer. »Wollt ihr wohl beide die Klappe halten? Michael hat Recht, Carl. Wir haben keine andere Wahl, als uns mit der Lage abzufinden und zu versuchen, bestmöglich damit zurechtzukommen.«
»Und was sollen wir tun?«, fragte er etwas ruhiger, obwohl seine Stimme immer noch aus einer Mischung frustrierter Wut und Angst zitterte.
»Wir brauchen weitere Vorräte«, antwortete Michael leise. »Wenn sie mit der Zeit aufmerksamer und gefährlicher werden, finde ich, dass wir sofort aufbrechen und so viel zusammentragen sollten, wie wir befördern können. Danach sollten wir schnellstmöglich hierher zurückkehren und uns eine Weile still verhalten.«
»Und wie lange schwebt dir dafür vor?«, bohrte Carl nach, der unverkennbar wieder in Rage geriet. »Eine Woche? Zwei? Ein Monat? Zehn beschissene Jahre?«
»Ich weiß es nicht«, gab Michael gleichermaßen hitzig zurück. »Woher zum Teufel sollte ich es auch wissen?«
»Seid endlich still!«, brüllte Emma, womit sie die beiden anderen schlagartig zum Schweigen brachte. »Verdammt noch mal, wenn keiner von euch etwas von sich geben kann, ohne zu streiten, dann sagt am besten gar nichts mehr.«
»Tut mir Leid«, murmelte Michael und fuhr sich mit den Fingern durch die strähnigen Haare.
»Also, was machen wir jetzt wirklich?«, fragte sie.
Statt zu antworten oder sich weiter an dem zunehmend schwierigen Gespräch zu beteiligen, stapfte Carl davon.
»Wohin willst du? Carl, komm zurück. Wir müssen das bereden.«
Auf halbem Wege die Treppe hinauf hielt er inne und schaute zu ihr zurück.
»Was gibt es noch zu bereden? Worum geht‘s?«
»Es geht darum, dass wir etwas tun müssen, und ich denke, wir sollten
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