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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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flüsterte sie.
    »Bist du müde?«, fragte er.
    »Völlig erledigt«, gestand sie. »Du?«
    »Ich auch. Trotzdem kann ich nicht schlafen.«
    »Genau wie ich. Mir geht zu viel im Kopf herum. Ich kann einfach nicht abschalten.«
    »Ich brauche wohl nicht zu fragen, was dir im Kopf herumspukt.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ist schwierig, an etwas anderes zu denken, findest du nicht?«
    Michael zog sie noch enger an sich.
    »Ich wünschte, er wäre geblieben«, brach es plötzlich unerwartet emotionsgeladen und gepresst aus ihm hervor. »Ich denke immer noch, ich hätte ihn aufhalten sollen. Ich hätte den dämlichen Mistkerl in sein Zimmer sperren sollen. Ich hätte –«
    »Pssst ...«, schnitt Emma ihm flüsternd das Wort ab. Sie löste sich ein wenig von ihm und sah ihm in die Augen. Der orangefarbene Schein der Flammen des Feuers spiegelte sich in glitzernden Tränen, die ihm hemmungslos über die Wangen rannen. »Wir hätten beide nichts tun können, und so zu reden, ist sinnlos – das hatten wir doch schon. Wir wissen beide, dass wir mehr Schaden angerichtet als Gutes bewirkt hätten, wenn wir versucht hätten, ihn aufzuhalten.«
    »Ich wünschte, er wäre jetzt hier«, stammelte Michael, der die Worte zwischen Schluchzen und tiefen Atemzügen hervorpresste.
    »Ich weiß«, flüsterte sie in tröstlichem, leisem Tonfall.
    Eng umschlungen saßen die beiden da, und nach einem Augenblick der Verlegenheit und des Zögerns begannen beide, hemmungslos zu weinen. Zum ersten Mal, seit sie alles verloren hatten, ließen sie ihre Schutzschilde sinken und ihren Gefühlen freien Lauf. Sie weinten um alles, was sie verloren hatten und zurücklassen mussten, um ihren abgereisten Freund und umeinander.
    Der unverhoffte und dringend nötige Gefühlsausbruch, dem Emma und Michael sich zusammen hingegeben hatten, wirkte wie ein Ventil, durch das sie den aufgestauten Druck abließen. Ihre Verstörung linderte sich, unnötige, imaginäre Schutzmauern stürzten in sich zusammen. Nachdem die Tränen getrocknet waren, Minuten oder Stunden später, sie wussten es beide nicht genau, entspannten sie sich allmählich und fingen an, sich unbeschwerter zu unterhalten. Michael bereitete für sie beide heiße Schokolade zu, die sie gemeinsam tranken, während sie beobachteten, wie das Feuer niederbrannte.
    »Weißt du«, meinte Michael gähnend, legte sich auf den Rücken und schaute zu den an der Decke flackernden Schatten auf, »wenn ich es mir hätte leisten können, hätte ich ein Haus wie dieses gekauft.«
    Emma drehte sich im rechten Winkel zu ihm und bettete den Kopf auf seinen Bauch. Sie lächelte bei sich.
    »Ich auch.«
    »Wirklich?«, fragte er, stützte sich auf die Ellbogen und sah sie an.
    »Ja«, bestätigte sie. »Es ist ein Traumhaus. Ein wenig Farbe, und es könnte wunderschön sein.«
    Michael seufzte und gähnte abermals.
    »Abgesehen von der halben Million verwesender Leichname auf der anderen Seite des Zauns«, murmelte er sarkastisch.
    Emma ignorierte die Bemerkung. Sie versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken, was ihr misslang.
    »Ich bin müde«, verkündete sie.
    »Willst du ins Bett gehen?«, fragte er.
    »Sinnlos. Ich könnte ohnehin nicht schlafen.«
    Da Michals Ellbogen zu schmerzen begannen, legte er sich wieder hin. Er kratzte sich an der Wange und rieb sich das Kinn. Seit drei oder vier Tagen hatte er sich nicht mehr rasiert. Genau wusste er es nicht, doch es schien keine Rolle zu spielen. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und genoss die Wärme des Feuers.
    »Wenn die Leichen nicht wären«, meinte er leise, »könnte ich es so aushalten.«
    »Wie meinst du das?«
    »Versteh mich nicht falsch – natürlich wünschte ich, alles wäre wie früher«, erklärte er. »Was ich meine, ist, dass ich mit all dem wesentlich leichter zurechtkäme, wenn die Toten tot geblieben wären. Dass nur eine Hand voll Menschen überlebt hat, damit könnte ich mich irgendwie abfinden; was mir allerdings schwer zu schaffen macht, ist der Umstand, dass wir in einem ständigen Krieg leben.«
    »Das ist kein Krieg.«
    »O doch«, beharrte er. »Und ob. Wenn wir Lebensmittel brauchen, müssen wir darum kämpfen. Wir müssen uns rausschleichen, soviel einpacken, wie wir kriegen können, und klammheimlich wieder zurückschleichen. Wenn wir Wärme und Licht wollen, müssen wir damit rechnen, im Nu von diesen verfluchten Dingern da draußen umzingelt zu werden. Es ist ein Krieg, und er ist nicht fair.«
    Irgendwie hörte

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