Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
Er setzte sich ihr gegenüber an einen großen Mahagonitisch, auf dessen Mitte eine kleine Stereoanlage stand. Clare spielte gerade eine CD ab. Er erkannte die Musik nicht. Obgleich er nichts zu ihr sagte, wünschte er sich, sie würde sie leiser stellen. Sie war nicht besonders laut, es schien nur so zu sein, dachte er, da alles andere so totenstill war.
    »Wie geht’s dir heute Morgen?«, fragte er.
    Sie nickte und lächelte traurig.
    »Mir geht’s gut«, gab sie zurück. »Hören Sie, ich wollte Sie nicht aufwecken. Ich hoffe, dass Sie das Geräusch nicht stört. Ich konnte die Stille nicht mehr länger aushalten. Die Stereoanlage habe ich in der Elektroabteilung direkt hinter den Betten gefunden.«
    Jack blickte über seine Schulter und bemerkte einen gewaltigen Wall aus Fernsehbildschirmen, der sich ein kleines Stück hinter der Bettenreihe erhob, in denen sie die Nacht verbracht hatten. Immer noch vor Schläfrigkeit wie benommen stand er wieder auf und ging nach hinten, wo er in der vergangenen Nacht ihre Habseligkeiten zurückgelassen hatte. Nachdem er seinen Rucksack durchsucht hatte, förderte er ein paar der Nahrungsmittel, die er mitgebracht hatte, zutage. Er ging damit zu Clare zurück und setzte sich wieder.
    »Hungrig?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nicht wirklich.«
    »Du solltest dich überwinden und etwas essen. Wir sollten das beide tun.«
    Er öffnete eine Brotdose aus Plastik, nahm etwas Schokolade und Obst heraus und legte alles zwischen ihnen auf den Tisch. Clare nahm einen Schokoladeriegel und packte ihn aus. Er war erstaunlich gut. Der reichhaltige Geschmack und Geruch des Nahrungsmittels war auf beruhigende Weise vertraut und seltsam tröstlich. Seit Dienstag hatte sie kaum gegessen. Nach Tagen, in denen sie außer Übelkeit erregenden Schmerz und beständiger Orientierungslosigkeit fast nichts verspürt hatte, bot das Essen eine willkommene Abwechslung. Für einen Moment schien es, obwohl es so aussah, als hätten sie alles verloren, als ob es für sie eine geringe Chance geben könnte, so etwas wie Normalität inmitten des Trümmerhaufens, der von ihrem gewohnten Leben übriggeblieben war, wiederzufinden.
    »Ich liebe dieses Lied«, sagte Clare, als der nächste Titel begann. Sie kaute gedankenvoll an ihrer Schokolade und drehte die Lautstärke nach oben. Als sie die Augen schloss, versuchte sie sich für ein paar kostbare Sekunden vorzustellen, sie wäre irgendwo anders.
    Für Jack hörte sich die Musik in keiner Weise besser oder melodischer als der nichtssagende Titel an, den er zuvor gehört hatte. Er erinnerte sich an die Zeiten, als Musik noch von echten Musikern gespielt worden war und als Talent noch mehr gegolten hatte als Äußeres und ... und er konnte noch etwas anderes hören. Er schlug mit seiner Faust auf die Stereoanlage und schaltete sie aus.
    »He ...«, protestierte Clare.
    »Pst ...«, zischte er.
    Er schob seinen Stuhl zurück und ging auf die Rolltreppen zu, die sich durch die Mitte des Kaufhauses schlängelten. Unter sich im ersten Stock konnte er Bewegungen hören. Behutsam spähte er über das Ende der Treppe und sah, dass eine Horde Leichen erschienen war. Im Gegensatz zu den schwerfälligen Leichen, die er früher gesehen hatte, schienen diese ein Mindestmaß an Kontrolle zu besitzen. Das Licht war schwach, dennoch konnte er sehen, so unglaublich es schien, dass zwei oder drei von ihnen begonnen hatten, die feststehende Rolltreppe nach oben in seine Richtung zu klettern. Sie stolperten über Werbetafeln und zufällig gestürzte Körper, als sie unbeholfen versuchten, sich vorwärts zu bewegen. Clare erschien plötzlich an seiner Seite und erschreckte ihn.
    »Was ist da los?«, fragte sie beklommen.
    »Schau mal«, antwortete er und nickte abwärts in Richtung der Gestalten unter ihnen. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die eingefallene Leiche, die den größten Fortschritt dabei gemacht hatte, den zweiten Stock zu erreichen. Sie hatte bereits nahezu die Hälfte der Rolltreppe bewältigt, war jedoch durch einen umgekippten Kinderwagen, der ihren Weg nach oben blockierte, zum Anhalten gezwungen worden. Obgleich es in der vergangenen Nacht um einiges dunkler gewesen war, hatten es Jack und Clare auf ihrem Weg um einiges leichter gehabt, derartigen Hindernissen auszuweichen. Die gestelzten Bewegungen der verzweifelten Kreaturen unter ihnen waren bei Weitem nicht so kontrolliert und präzise wie die der Überlebenden. Als sich die beiden

Weitere Kostenlose Bücher