Herbst - Zerfall
Jedenfalls ist es nicht dein Zeug, du diebischer Mistkerl. Ich folge dir schon eine halbe Stunde. Ich weiß, wo du es verstaust.«
Jas seufzte. Wie sollte er diesem dummen kleinen Stinker erklären, was er tat, ohne dass er dächte, Jas wolle lediglich das Beste ihrer Vorräte selbst einstreifen – was, wenn er ehrlich sein wollte, auch zutraf. Musste er sich eigentlich überhaupt rechtfertigen?
»Hör mal«, begann er, nachdem er beschlossen hatte, es zu versuchen und zu beobachten, wie Webb reagierte. »Im Augenblick ist alles, was wir haben, über das Gelände verteilt. Ein Großteil ist oben beim Restaurant und Konferenzraum, jede Menge mehr ist draußen im Bus.«
»Also dachtest du, du bedienst dich einfach mal.«
»Alles, was ich tue«, widersprach Jas, fest entschlossen, sich von Webb nicht in die Enge treiben zu lassen, »ist, einen Teil an einem anderen Ort unterzubringen. Was, wenn ein Feuer ausbricht und die Hälfte des Gebäudes in Rauch und Flammen aufgeht? Was, wenn jemand krank wird wie Anita und Ellie, und wir uns von ihnen abkapseln müssen? Was, wenn Leichen hereingelangen?«
»Blödsinn«, spie Webb ihm feindselig entgegen. »Du bist ein Lügner. Du hattest nicht vor, irgendjemandem zu erzählen, wo du das Zeug hinbringst. Du wolltest es für dich selbst, du mieser –«
»Halt die Klappe«, fiel Jas ihm ins Wort und bemühte sich krampfhaft, ruhig zu bleiben und nicht überzureagieren. Er ist es nicht wert , dachte er bei sich. Außerstande, seine Wut zu unterdrücken, ließ er den Karton fallen, den er trug, und trat bedrohlich nah an Webb heran, der ihn nach wie vor wüst beschimpfte.
»Du bist ein beschissener, diebischer Dreckskerl«, tobte Webb unvermindert weiter, zumal der Alkohol sein Selbstvertrauen stärkte. »Warte nur, bis ich den anderen erzähle, was du hier abziehst.«
Jas sprang Webb an und packte ihn am Kragen. Nach einem kurzen Blick, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war, stieß er ihn gegen die nächstbeste Wand und drückte ihm den Kopf mit einem befriedigenden Knall zurück.
»Tu dir selbst einen Gefallen und halt die Fresse«, warnte er Webb mit gefährlich ruhiger Stimme. »Du wirst niemandem etwas erzählen.«
»Und warum nicht?«
»Wenn du es tust«, zischte Jas und bedrängte Webb so dicht, dass nur noch wenige Millimeter ihre Gesichter voneinander trennten, »erzähle ich, was du mit Stokes gemacht hast.«
Schlagartig hörte Webb auf, sich zu wehren. Sein Mund formte stumme Worte, doch zunächst brachte er nichts hervor. Schließlich murmelte er: »Ich hab nichts gemacht.«
»Doch, das hast du«, widersprach Jas bedrohlich. »Ich habe dich gesehen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, hob er den Karton auf, verschwand ins Gebäude und ließ Webb alleine draußen zurück.
41
»Wenn wir etwas in Hülle und Fülle haben«, meinte Ginnie mit voll beladenen Armen, »dann weiße Laken.«
Hollis trat beiseite, um sie vorbeizulassen, und beobachtete, wie sie nach draußen zu Priest und Caron verschwand. Gordon folgte dicht hinter ihr. Die beiden müssen an der Hüfte zusammengewachsen sein , dachte Hollis, als Gordon sich hastig an ihm vorbeidrängte, um zu Ginnie aufzuschließen. Zuletzt kam noch Lorna, die Haare zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie mühte sich mit weiteren Leinen ab.
»Warte, lass mich helfen«, sagte er und hielt ihr die Tür auf. Sie lächelte kurz, sagte jedoch nichts. Hollis ging kurz in die Küche und ergriff einen weiteren Stapel Laken, dann folgte er den anderen hinaus.
Die frühmorgendliche Bewölkung war geblieben, aber von einem dunklen Grau zu einem strahlenden Weiß übergegangen, das die Sonne beinah zu durchbrechen drohte. Obwohl es erst kurz nach acht war, fühlte es sich viel später an.
Komisch, wie unsere inneren Uhren sich mit der Sonne und dem Mond zu synchronisieren scheinen , dachte Hollis, als er über den Rasen zu den anderen lief. Früher war er aufgestanden, wenn es Zeit für die Arbeit war, und zu Bett gegangen, nachdem er ferngesehen hatte oder aus der Kneipe nach Hause gekommen war. Nun war das Einzige, was sich regelmäßig ereignete, das stete Voranschreiten der Sonne über den Himmel, und sie alle hatten ihre Tagesroutine an das Licht angepasst. Im Morgengrauen standen sie auf, bei Sonnenuntergang gingen sie zu Bett.
Priest stellte sich ziemlich ungeschickt an. Caron schien der Aufgabe weit besser gewachsen zu sein.
»Nein, Martin«, belehrte sie ihn. »Wir müssen hier drüben
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