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Herbst - Zerfall

Herbst - Zerfall

Titel: Herbst - Zerfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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diese schlimmer als die hektischen Zeiten, in denen sie flüchteten, kämpften oder beides taten. Zumindest fühlte er sich bei der Bewältigung von Krisen lebendig. Seans Worte vom Vorabend schwirrten ihm im Kopf herum. Ihr seid alle tot , hatte er gesagt. Hatte er Recht? Wurde die Kluft zwischen den Lebenden auf der einen und den Toten auf der anderen Seite wirklich zunehmend schmaler? Wenn das die Lebensqualität ist, die wir erwarten können , dachte Hollis verbittert , dann hat der Junge nicht Unrecht . Die Toten konnten sich zumindest frei und ohne Furcht umherbewegen. Hollis fragte sich, ob es besser wäre, weder zu fühlen noch zu denken, als ständig von verzweifelten, albtraumhaften Gedanken heimgesucht zu werden wie er.
    »Ich fragte, ob es dir gut geht«, sagte Lorna und klopfte ihm auf den Arm. Sie war von hinten an ihn herangetreten, und er hatte sie nicht einmal bemerkt. Entweder war er so zerstreut gewesen, oder sein Gehör wurde immer schlechter. Hollis versuchte, sich einzureden, dass er bloß mit den Gedanken woanders gewesen war; in Wahrheit jedoch konnte er mit dem verletzten Ohr mittlerweile kaum noch etwas hören, was ihn zutiefst verängstigte. Wie sollte er so in einer Welt überleben, in der das kleinste Geräusch darüber entscheiden konnte, ob man unentdeckt blieb oder plötzlich von Leichen umzingelt war?
    »Alles in Ordnung«, gab er zurück und versuchte erfolglos, seine Niedergeschlagenheit zu verbergen. Lorna kannte ihn allmählich fast zu gut.
    »Ich bin gerade dabei, mir ein paar Flaschen Wein und einen Happen zu essen zu stibitzen«, erklärte sie nüchtern. »Komm rauf in mein Zimmer, wenn dir nach Reden zumute ist.«
    »Alles klar«, murmelte er und beobachtete, wie sie sich umdrehte und in die Küche verschwand. Einen Augenblick lang ließ er die Gedanken wandern. Warum lud sie ihn in ihr Zimmer ein? Wirklich nur, um zusammen etwas zu trinken, oder ging es um mehr? Schon oft hatte er sie betrachtet und sich gewünscht, er könnte sie haben, allerdings hatte er nie den Eindruck gehabt, dass sie ähnlich empfand. Sei kein solcher Idiot , schalt er sich. Du bist alt genug, um ihr Vater zu sein. Sie interessiert sich für dich nur als Freund. Andere Beziehungen positiver Art gibt es nicht mehr. In dieser beschissenen Ruine von einer Welt ist kein Platz für Liebe, Sex und Zärtlichkeit.
    Das Geräusch von mehreren Automotoren riss ihn aus seinen Gedanken.
    Hollis drehte sich um und rannte zur Vorderseite des Hotels, preschte durch die Glastüren der Rezeption hinaus und weiter die Stufen hinunter auf den Parkplatz. Er sprang zur Seite, als ein silberner Kombi auf ihn zukam. Hollis versuchte, den Wagen durch Winken anzuhalten, doch Harte, der hinter dem Lenkrad saß, beschleunigte nur und fuhr an ihm vorbei. Ihm folgte eine blaue Limousine mit Amir hinter dem Steuer und Webb auf dem Beifahrersitz, dann ein drittes Auto, ein verbeulter, grüner Wagen mit Schrägheck, den Sean fuhr. Wo um alles in der Welt wollen die hin? Ist ihnen klar, was für einen Lärm sie machen? Als er sich umdrehte, erblickte er Jas, der auf den Laster zuging. Hollis rannte los, wollte ihn unbedingt erreichen, bevor er die Fahrertür öffnen konnte.
    »Was, zum Henker, macht ihr da?«, spie Hollis ihm entgegen und drückte die Tür zu, die Jas gerade aufzuziehen versuchte.
    »Lass mal gut sein, Hollis«, gab Jas zurück und schob ihn beiseite.
    »Den Transporter nimmst du nicht«, zischte Hollis und stürzte wieder vorwärts. Jas, fast zwanzig Zentimeter kleiner als er, aber wesentlich stärker, schlag die Arme um seine Hüfte, wirbelte ihn herum und schleuderte ihn auf den Schotter. Bevor sich Hollis aufrappeln konnte, war Jas bereits in den Wagen gesprungen, hatte die Tür verriegelt und den Motor gestartet.
    »Geh einfach rein und bleib uns aus dem Weg«, rief Jas durch das halb geöffnete Fenster.
    »Ihr beschissenen Feiglinge!«, brüllte Hollis und hämmerte gegen die Seite des Fahrzeugs, das sich gerade in Bewegung setzte. »Warum flüchtet ihr? Alles, was ihr damit erreicht, ist, dass ihr sie hier reinlasst!«
    »Wir flüchten nicht«, schrie Jas zurück. »Noch nicht.«
    Damit trat er das Gaspedal durch und raste vom Hotel weg. Hollis rannte ein paar Meter hinter ihm her, doch es war sinnlos. Als der Laster um die Kurve verschwand, drehte er sich um und kehrte im Laufschritt ins Hotel zurück, um die anderen zu warnen.
    Jas hielt an der Gabelung der Straße an. Die drei anderen Autos mussten

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