Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
Vom Netzwerk:
wissen.« Balthasar nippte an seinem Wein und lehnte sich zurück.
    Michael überhörte diese Bemerkung. »Wie dem auch sei. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Die Späher müssen unverzüglich eingesetzt werden. Du machst dich sofort an die Arbeit!«
    »Längst geschehen. Ich wollte nicht warten, bis du endlich auch auf diese Idee kommst.«
    »Dieser Jäger«, fragte Michael betont ruhig. »Was ist das für einer?« Man musste ihn sehr gut kennen, um Misstrauen aus dieser beiläufigen Frage herauszuhören. So gut wie Balthasar etwa, der das Misstrauen förmlich aus den Worten heraustropfen hörte.
    »Ein ziemlich guter. Möglicherweise der beste. Er würde dich wittern, jagen und stellen, ganz gleich, wie viele Flüsse, Städte und Wälder du zwischen ihn und dich bringst.«
    Michaels Lippen kräuselten sich. »Das bezweifle ich. Ich bezweifle auch, dass es ratsam ist, einen ordinären Jäger in diese wichtige Angelegenheit einzuweihen.«
    »Was denn?« Diesmal grinste Balthasar und hob abwehrend die Hände. »Traust du mir nicht zu, Freund von Feind zu unterscheiden?«
    Damit erhob er sich und verließ den Hanged Hangman .
    Michael sah ihm nach. Er traute ihm durchaus zu, Freund von Feind zu unterscheiden. Aber waren Balthasars Freunde auch die seinen?

    »Wenn das keine Überraschung ist«, quiekte es entzückt, als Emily und Jake vor den Empfang traten. Wenig später fand sich das Mädchen in einer bedenklich festen Umarmung wieder. »Emily, meine Süße, wir hätten nicht gedacht, dich jemals wiederzusehen. Lass dich ansehen! Wie geht’s dir?«
    Emily brauchte einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. Als hätte sie ihr die Nachricht über einen Lottogewinn übermittelt, strahlte Oberschwester Mary Emily an. Es blendete beinahe. Doch Emily war froh um diese überschwängliche Begrüßung. Sie war von Anfang an Marys Liebling gewesen, weshalb Emily auch gehofft hatte, sie heute an der Pforte anzutreffen.
    »Und wer ist dein reizender Begleiter?«, raunte sie ihr verschwörerisch ins Ohr. Natürlich laut genug, damit Jake ja keine Möglichkeit hatte, es zu überhören.
    »Auch schön, Sie zu sehen, Schwester Mary!« Emily nutzte eine der seltenen Redepausen der fülligen Oberschwester. »Das ist Jake. Er ist ein Freund aus Woods End.«
    »Ah, es ist bestimmt schön dort. Bei solchen Jungs allemal, hm?«
    Emily errötete in Rekordzeit. »Ja, es ist wirklich schön. Ich bin allerdings aus einem bestimmten Grund hier.«
    Sie hatte sich vorgenommen, ihr Anliegen möglichst gelassen vorzutragen und die schreckliche Anspannung nicht zu zeigen, unter der sie stand. Die Oberschwester stand gutmütig grinsend auf und bedeutete Emily, ihr zu folgen. Jake musste in der Empfangshalle warten. Er schien darüber alles andere als unglücklich.
    »Setz dich, Liebes.« Die Schwester deutete auf einen der Besucherstühle vor ihrem Schreibtisch. Mit einem zufriedenen Seufzen sank sie in ihren imposanten Sessel und musterte Emily durch ihre dicken Brillengläser. »Nimm dir erst mal einen Keks und erzähl mir dann, was du auf dem Herzen hast.«
    Emily hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie anfangen sollte. Schnell schnappte sie sich einen Keks und knabberte betont langsam daran. Doch selbst der trockenste Keks ist irgendwann aufgegessen.
    »Ich habe mir seit meiner Adoption viele Gedanken über meine Vergangenheit gemacht«, fing sie langsam an. »Keine Sorge, ich fühle mich sehr wohl in meiner neuen Familie und bin gut aufgenommen worden. Ich wollte mich eben einfach nur noch mal vergewissern, dass Sie mir wirklich nichts über mein Leben vor dem Waisenhaus sagen können.«
    »Ach Kindchen, es ist doch ganz normal, dass du mehr über dich und dein Leben erfahren willst. Es muss furchtbar für dich sein, nicht zu wissen, wer du bist. Es ist nur so: Die Akten dürfen nur nach voriger Rücksprache mit Mr Abtree eingesehen werden. Und der ist heute leider bei einem Hausbesuch. Ich fürchte, ich kann nichts für dich tun.«
    Emily versuchte sich an einem tapferen Nicken.
    Wie üblich entging den aufmerksamen Augen von Schwester Mary nichts. Sie sah, wie Emilys Unterlippe zitterte, und wurde noch im selben Atemzug weich wie Butter. »Mir ist gerade etwas eingefallen, was du aber bestimmt schon weißt. Die Geschichte, wie du gefunden wurdest? Die kennst du sicher, hab ich recht?« Sie blickte Emily eindringlich an und zwinkerte ihr übertrieben unauffällig zu.
    »Ja, ich glaube schon …?«, sagte sie testweise.
    »Dachte ich

Weitere Kostenlose Bücher