Herbstbringer (German Edition)
einigen gezielten Schlägen zum Laufen brachte.
»Wie kommst du darauf? Es waren nur alte Chroniken, Stammbäume und Kopien lokaler Tageszeitungen.«
»Komisch. Kaum warst du gestern weg, kam ein junger Mann, um einen Ausweis zu beantragen. Einen Ausweis! Diesen Kopf zierten deutlich mehr Haare, als ich das letzte Mal einen Mitgliedsausweis ausgestellt habe.«
Höflich, aber genervt, hörte Barnard Graham zu. Er wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Heute Abend musste er wieder zurück nach Woods End. Und er hasste es, mit leeren Händen von einer dreitägigen Suche zurückzukommen.
»Und jetzt kommt’s.« Es war offensichtlich, dass der Bibliothekar in dieser Einsamkeit nicht oft dazu kam, etwas zu erzählen. Er kostete jedes Wort voll aus. »Er fragte nach allen Büchern, die du auf deinem Tisch liegen hattest. Die meisten konnte ich zusammentragen. Er schien ganz wild darauf, sie alle auszuleihen. Ein überaus netter Zeitgenosse. Wenn auch etwas nachlässig: Er hat seine Coladose auf einem recht alten Atlas stehen lassen. Das wird einen hübschen Rand geben.«
»Alle Bücher?«, brachte der Vampirjäger hervor. »Dieser Kerl hat alle Bücher ausgeliehen, die ich gestern benutzt habe?«
»Nicht ganz. Er hat sich eher für die Zeitungen und Chroniken interessiert. Ein paar hat er hiergelassen. Ich habe sie auf den Tisch dahinten gelegt, falls du sie noch brauchst.«
Barnard Graham wandte sich dem kleinen Beistelltisch hinter ihm zu. Er stöhnte frustriert. Neben einigen Bänden, die er bereits für nutzlos erklärt hatte, entdeckte er hauptsächlich viel zu junge Tageszeitungen sowie den einen oder anderen unleserlichen Stammbaum, mit denen selbst Code-Entzifferer überfordert gewesen wären.
»Sieht ganz so aus, als würde ich früher nach Hause kommen«, ächzte er resigniert, verabschiedete sich knapp und trat in den klammen Morgen hinaus.
Besänftigt von einem reichhaltigen Imbiss, kehrte er in sein Pensionszimmer zurück, um seine Koffer für die Heimreise zu packen.
»Barnard Graham.« Die Stimme brachte ihn an den Rand eines Herzinfarkts. An seinem kleinen Schreibtisch, die Beine faul von sich gestreckt, saß ein blonder Mann in einer schäbigen Lederjacke und musterte ihn mit einem unverschämt belustigten Gesichtsausdruck.
»Was zum Teufel machen Sie in meinem Zimmer? Und wer sind Sie überhaupt?«
Noch während er dem Eindringling die zweite Frage an den Kopf warf, wusste er die Antwort darauf. Ärger siegte über Angst und ließ Barnard Graham einen Schritt auf den Fremden zugehen. »Moment mal. Natürlich, Sie sind der Schuft, der sich einfach meine ganzen Bücher unter den Nagel gerissen hat!«
Wenn es um Bücher ging, konnte selbst Barnard Graham über sich hinauswachsen.
»Schuft?«, äffte der Eindringling Barnard Graham in einer respektablen Parodie nach. »Ehrlich, so hat mich schon lange keiner mehr genannt. Wie altmodisch! Was im Übrigen auch für deine Ermittlungsmethoden gilt.«
Barnard Graham verlor zunehmend die Fassung. Was bildete sich dieser Kerl ein? Er duzte ihn! »Duzen Sie mich gefälligst nicht! Von was für Methoden sprechen Sie? Und wieso sind Sie hier?«
»Das kommt ganz darauf an«, säuselte er. »Es gibt verschiedene Möglichkeiten für den Grund meines Besuchs.«
»Wovon reden Sie bloß?«, fragte der Bibliothekar verstört. Angst gewann nach diesem kleinen kühnen Intermezzo langsam wieder die Oberhand. Aus dem Augenwinkel schielte er in Richtung Tür. Würde er es schaffen?
»Diese Möglichkeit würde ich dir beispielsweise nicht empfehlen«, bemerkte der Mann mit plötzlich harter Stimme. »Obwohl sie mir sehr viel Spaß machen würde. Aber es wird Zeit, dass ich mich vorstelle, bevor wir unsere kleine Unterhaltung fortsetzen. Gestatten, ich bin das letzte Gesicht, das du in deinem Leben sehen wirst. Es sei denn, du tust genau das, was ich von dir verlange.«
Sie sprachen wenig auf dem Rückweg zur Bushaltestelle. Nachdem sie das kleine Waldstück durchquert hatten, sahen sie die ersten Steinhäuser des Dorfes, in dem auch der Bauer, der Emily das Leben gerettet hatte, seinen Hof hatte.
Kurzzeitig dachte sie daran, ihn ausfindig zu machen, um mehr zu erfahren. Da sie aber nicht wusste, ob er überhaupt noch hier lebte, und sie außerdem nicht die geringste Lust verspürte, von Hof zu Hof zu laufen und die Leute zu fragen, ob sie es waren, die ihr damals das Leben gerettet hatten, verwarf sie die Idee wieder.
»Kopf hoch«, sagte Jake aufmunternd, als
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