Herbstfraß
seine Drohung wahr macht und mir das Messer in den Kopf rammt. Fieberhaft suche ich nach einem Ausweg, leider gibt mir der Widerling keine Gelegenheit zum Nachdenken.
„Vorwärts, Berger“, wispert Nolte und schiebt mich energisch an. „Aber nicht zu schnell. Wir wollen nicht, dass Ihnen etwas Unangenehmes geschieht, bevor das Spiel beginnt.“
Irgendwie behagt es mir nicht, wie er von dem Spiel spricht. Was immer das sein mag, gefallen wird es mir garantiert nicht. Ich hoffe nur, dass es sich dabei nicht um seine persönliche Variante von Spiel des Lebens handelt.
Wir durchqueren den Vorraum und gelangen viel zu rasch an die Treppe. Der Geruch nach Gammelfleisch ist hier weit schlimmer, als draußen am Eingang. Vorsichtig steige ich die Stufen hinunter, während Nolte beinahe an meinem Rücken klebt. Er gibt mir nicht einmal eine winzige Chance, mich aus seinem Griff zu befreien. Am Ende der exakt zwölf Stufen bin ich beinahe am Würgen und muss Bo recht geben: Ein toter Fuchs kann unmöglich derartig stinken. Vor mir liegt nun ein Gang, der nach einigen Metern an einem Geröllhaufen endet, wo er eingestürzt ist. Aber rechts befindet sich eine offene Stahltür zu einem Raum, aus dem schwaches Licht sickert. Dort muss sich Bo befinden. Also war dieser Raum daran schuld, dass ich vorhin das Licht von Bos Taschenlampe so rasch aus den Augen verloren habe. Nolte schubst mich ungeduldig vorwärts und auf die Türöffnung zu. Jetzt entdecke ich Bo, der ohne sich zu rühren mitten in einem wenig ansprechendem Raum steht. Das Licht seiner Taschenlampe ist auf eine Gestalt an der gegenüberliegenden Wand gerichtet. Für einen Moment erhasche ich einen Blick auf ein blau angelaufenes, blutig-schmutziges Gesicht mit heraushängender Zunge und einem schrecklich aussehenden Loch, wo eigentlich eine Nase sitzen sollte. Mir wird schlecht. Dann wirbelt Bo herum und hat sofort die P8 Combat im Anschlag. Seine Bewegung ist rasant und für einen entsetzlichen Sekundenbruchteil glaube ich, dass er abdrücken und mich mit dem kompletten Magazin durchlöchern wird.
„Rob…“ Er verstummt. Wahrscheinlich, weil er den Nolte hinter mir bemerkt hat.
„Tut mir leid“, formen meine Lippen lautlos und mein Mann deutet ein Nicken an.
„Amundsen, legen Sie die Waffe hin und stellen Sie die Taschenlampe ab.“ Noltes Stimme klingt schneidend.
Bo fixiert meinen Hals, an dem das Blut hinunter rinnt. Mit den Augen versuche ich ihm zu signalisieren, dass er schießen soll, obwohl mein Körper als Schutzschild missbraucht wird.
„Amundsen!“ Nolte klingt ungeduldig und das bekomme ich zu spüren. Das Messer unter meinem Kinn verschwindet und wird blitzschnell über meine Wange gezogen. Dieses Mal schreie ich auf. Mehr vor Schreck, denn der Schmerz setzt erst einen holprigen Herzschlag später ein.
„Schon gut!“, ruft Bo hastig und fasst die P8 am Lauf.
„Sehen Sie? Ich mache, was Sie sagen.“ Langsam legt er die Waffe auf den Boden und die Taschenlampe stellt er so hin, dass sie nun die Decke beleuchtet. Verdammt, Bo, was tust du da? Erschieß den Mistkerl! Immerhin bist du derjenige, der für die Befreiung von Geiseln ausgebildet worden ist. Hol uns beide hier raus!
„Bo …“
„Schnauze, Berger!“ Das Messer blitzt warnend vor meinen Augen auf und ich schlucke schnell den Rest meines Satzes hinunter.
„Schieben Sie die Knarre mit dem Fuß zu mir“, befiehlt Nolte meinem Mann. Die P8 schlittert über den Boden und bleibt neben meinen Turnschuhen liegen. Wenn ich schnell … Ein heftiger, unerwarteter Stoß in meinen Rücken lässt mich vorwärts stolpern. Beinahe wäre ich gestürzt, doch Bos starke Arme fangen mich auf und halten mich fest. An der Treppe schnappt sich Nolte die P8. Allerdings achte ich gar nicht mehr auf den Irren. Stattdessen starre ich auf die Leiche an der Wand, der ich durch diese Stolperaktion näher gekommen bin, als mir lieb ist. Das Gesicht kommt mir vage bekannt vor. Ingo! Herrje, es ist Ingo! Dieser Irre hat seinen eigenen Stiefsohn verstümmelt und umgebracht. Eine Assel kriecht über die leblose Wange des Jungen und ich fühle auf einmal Gallflüssigkeit in meinem Hals.
„Was ist mit dem Jungen?“, höre ich den Nolte zu meiner Überraschung fragen.
Bo drückt mich an sich und antwortet leise: „Er hat sich erwürgt.“
„Erwürgt? Aber … aber das sind nicht die Regeln.“ Nolte klingt seltsam empört. Ich drehe mich in Bos Armen um und sehe ihn wütend an.
„Regeln? Was
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