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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Busch
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seiner Tür. An diese Stelle komme ich nicht heran, ohne dass der sich hinter uns befindende Fahrer annehmen muss, ich würde meinem Liebsten einen Blowjob verpassen.
    „Gib mir die Packung zurück.“
    „Damit du die weiterhin so frisst? Keine Chance, Dot. Oder willst du, dass dir auch noch übel wird?“
    „Bo, gib mir die Packung zurück!“
    Mein trockenes Husten verstärkt meine Forderung. Außerdem hängen die eben geschluckten Pillen unangenehm in meinem Hals fest.
    „Hör auf zu heulen, Robin. Du bekommst sie nicht, solange du die Dinger wie Smarties vertilgst.“
    „Du bist nicht mein Krankenpfleger …“
    Bo fährt an und ich richte mein Augenmerk nach vorne. Der Abschleppwagen führt die Kolonne der genervten Stauteilnehmer an.
    „Wer soll dich denn sonst umsorgen, wenn es dir nicht gut geht?“
    „Louisa“, antworte ich sofort.
    „Du hast doch bestimmt Fieber, Dot.“
    „Genau. Darum solltest du mir besser die Tabletten geben.“ Ich versuche mich an einem strahlenden Lächeln. Eine Hand landet auf meinen Oberschenkel und drückt ihn leicht.
    „Keine Chance, Dot. Aber wenn wir nachher feiern, kannst du dir gerne in aller Ruhe überlegen, ob lieber Louisa oder ich bei dir Fieber messen soll.“
    Mein Lächeln verschwindet. „Glaubst du, wir haben nachher wirklich einen Grund zum Feiern?“
    Bos Finger lösen sich von meinem Schenkel und drücken kurz die meinen.
    „Niemand kauft einen Haufen Sex Toys, um sie an einer Leiche auszuprobieren.“
    Mir fällt auf, dass er meinen Blick meidet. Natürlich kennt Bo die Statistiken genauso gut wie ich. Und ob es uns gefällt oder nicht, sie sprechen eindeutig gegen Ingo.
     
     
    15:31 Uhr
    Wir laufen zwischen Bäumen herum, deren Blätter ab und an golden und rot aufleuchten, wenn es einem hartnäckigen Sonnenstrahl gelingt, sich durch die dicke Wolkendecke zu schummeln. Ab und an bleibt Bo stehen, um sich zu orientieren und dann renne ich beinahe in ihn hinein, weil er so abrupt anhält. Der schmale Pfad wird kaum benutzt und ist nahezu komplett unter Laub begraben. Woher weiß Bo, in welche Richtung wir marschieren müssen? Findet er seinen Weg aufgrund der Moose an den Baumstämmen, dem Stand der nicht vorhandenen Sonne oder weil vor uns ein Reh pupst? Ich habe keinen Schimmer, woran er sich orientiert. Um uns herum sind bloß Bäume und die schauen für mich alle gleich aus. Ich stolpere über einen Ast, den ich nicht bemerkt habe, und wäre um ein Haar gefallen.
    „Sei vorsichtig.“ Bo Warnung kommt leider etwas zu spät.
    Ich stelle die berühmte Frage, die jedes Kind nach fünf Meter Autofahrt stellt: „Ist es noch weit?“
    Bo schaut sich um und ich folge seinem Beispiel. Was sieht er, was ich nicht sehe? Um uns herum sind nur Bäume, Bäume und weitere Bäume. Zusammen bilden sie einen Wald.
    „Ich denke knapp fünf Minuten.“ Er sieht mich von der Seite her an. „Frierst du?“
    „Nein.“ Die Luft ist zwar kalt, allerdings habe ich heute die Softshelljacke an, die regenfest und in der es warm ist. Beinahe zu warm für eine Wanderung quer durch die Botanik. Dazu trage ich den schwarzen, kuschlig weichen Kaschmirschal, den ich von Bo bekommen habe. Mein kratzender Hals dankt es.
    „Pfefferminz?“ Bo kramt bereits in seinen Jackentaschen nach der Tüte mit den Pastillen.
    „Warum?“
    „Du klingst wie Joe Cocker nach einem Drei-Stunden-Konzert.“ Bo grinst und hält mir die Tüte entgegen. „Sehr erotisch, wenn du mich fragst.“
    Ich verziehe das Gesicht und nehme mir zwei Pfefferminz. Dabei wünschte ich, er hätte mir meine Erkältungskapseln zurückgegeben. Anschließend stolpere ich erneut hinter Bo her. Mir fällt ein, was Patrick Reinhold über meinem Liebsten gesagt hat. Er wäre immer vorneweg gewesen. So wie eben auch. Eine Weile stelle ich mir vor, er würde wie auf den Fotos in seinem Schuhkarton einen Tarnfleckenanzug, einen Helm und ein Maschinengewehr tragen. Falls wir auf Nolte stoßen, bräuchte Bo bloß eine Salve abfeuern und der Kerl würde darum betteln, sich ergeben zu dürfen. Die Vorstellung eines bettelnden Nolte gefällt mir ausgesprochen gut. Ich pralle ein zweites Mal gegen Bos Rücken.
    „Sag mal, träumst du?“
    „Ich? Nie!“
    „Wir sind da.“ Bo deutet auf eine Betonwand, die sich perfekt in einen Erdhügel einpasst. „Dort ist der Eingang.“
    „Das ist alles?“ Ich bin etwas enttäuscht. Von diesem Bunker habe ich mehr erwartet. Möglicherweise habe ich auch nur eine allzu blühende

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