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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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Ich will nicht, dass du mir wegkippst und mit deinem
Dickkopf noch einmal den Straßenbelag ruinierst.«
    Sie grinste schwach, stieg aber ein.
    »Und wie ging’s weiter?«, fragte Schremmer, der sich über die offene
Wagentür lehnte. »Wie ist es Ihnen gelungen …«
    »Lassen Sie Melanie in Ruhe«, sagte Jacobi mit einem
unmissverständlichen Unterton. »Außerdem möchte ich einmal erleben, dass Sie
sich für ein Schlamassel entschuldigen, das Sie angerichtet haben. Ein einziges
Mal nur! Meinetwegen können Sie sich in Lebensgefahr bringen, so oft Sie
wollen, aber nicht ständig andere Leute. Und vor allem nicht solche, die mir
wichtig sind.« Und nur für ihn verständlich fügte er leise hinzu: »Wäre Melanie
mehr passiert, hätten meine eigenen Kollegen mich jetzt abführen müssen.«
    Schremmer wurde blass, doch Jacobi war noch nicht fertig mit ihm.
»Dass wir wegen Ihrer Alleingänge ständig Kindermädchen spielen müssen, mag ja
grad noch angehen, aber dass ein mutmaßlicher Massenmörder aufgrund Ihrer
Arroganz meine Verlobte als Geisel nehmen konnte, das nehme ich Ihnen sehr,
sehr übel.« Bei jedem »sehr« tippte er mit zwei Fingern energisch gegen
Schremmers Brustbein.
    Melanie Kotek zupfte ihn an der Lederjacke. »Ich wusste gar nicht,
dass wir verlobt sind. Aber lass gut sein, Oskar. Ist ja glimpflich
ausgegangen, Gott sei Dank. Seien wir froh darüber. Und ehe du dieselben Fragen
stellst wie Kollege Kurt, lass mich einfach zu Ende erzählen.« Wieder holte sie
tief Luft. »Sorge wollte mich also loswerden, und zwar so schnell wie möglich.
Die Geiselnahme hatte ihm zunächst einen Vorteil verschafft: Indem er mich als
Schutzschild benutzte, gelang es ihm, den Posten bei den Einsatzwagen
niederzustrecken. Kaum aber saßen wir in der Viper, bereute er, mich nicht
gleich miterschossen zu haben. Das sagte er mir jedenfalls ins Gesicht. Mein
Entschluss, auszusteigen, stand daher fest, als er mich zur A10 dirigierte.
Nach den ersten paar Autobahnkilometern ergab sich eine Gelegenheit. Ein Fahrer
älteren Semesters fuhr mit seiner Rostlaube exakt die erlaubte
Höchstgeschwindigkeit und blockierte stur die linke Spur. Rechts ein Lkw hinter
dem andern. Ich musste also die Viper von zweihundertdreißig auf hundertdreißig
runterbremsen, während Sorge andauernd nach hinten guckte. Meine eigene Glock
war währenddessen auf meine Nieren gerichtet. Als er dich weiter hinten auf die
A10 fahren sah, befahl er mir, schneller zu fahren.«
    »Du hast Gas gegeben und bist dann vor der alten Rostlaube voll auf
die Bremse gelatscht?«
    »Du sagst es. Wie ich allerdings bei dieser Verzögerung den Gurt
aufklinken und mich aus dem Wagen werfen konnte, darfst du mich nicht fragen.
Sorge hat sofort geschossen, mich aber verfehlt.«
    »Der vollautomatische Gurt muss ihn verrissen haben«, mutmaßte
Jacobi. »Weil er zurückgeschaut und eben nicht sofort geschossen hat, als du
gebremst hast.«
    »Richtig, mein allerliebster Besserwisser! Jeder Beifahrer, der nach
hinten schaut, während eine Vollbremsung stattfindet, erwartet unwillkürlich
eine Auffahrsituation. Dieser Reflex war meine Chance.«
    »Das war keine Chance, sondern purer Irrsinn. Du musst ja noch
siebzig oder achtzig draufgehabt haben, als du dich hast rausfallen lassen.«
    »Nein, so viel nicht. Die Verzögerung von Karbonbremsen ist
gigantisch. Aber trotzdem hat es mich durch die Gegend gefetzt wie das Luder
beim Windhundrennen.«
    Jacobi schüttelte den Kopf. »Gut, dass ich es nicht gesehen habe.
Hättest dir locker den Hals an der Leitschiene brechen können. Wirklich und
wahrhaftig ein Wunder, dass du mit Prellungen und Platzwunden davongekommen
bist.«
    ***
    Als die Rettung eintraf, wurde Kotek auf eine Bahre gelegt und
an Ort und Stelle von einer Ärztin untersucht. Sie erhielt zunächst eine den
Kreislauf unterstützende Injektion, und nach dem Pupillencheck stand die
Erstdiagnose fest: »Contusio cerebri – Schädelhirntrauma I, leichte bis schwere
Gehirnerschütterung.« Wirbelsäule und Nervenbahnen schienen zum Glück heil
geblieben zu sein. Anschließend wurden die äußeren Verletzungen untersucht.
    »Puh!«, stöhnte Jacobi beim Anblick der Blessuren. »Die Blutergüsse
werden sich im Urlaubsbikini besonders gut machen. Man wird glauben, ich prügle
dich jeden Tag windelweich.«
    »Ist bei der Vollbremsung eigentlich nicht der Motor abgestorben?«,
fragte Schremmer, der taktlos auf den entblößten Oberkörper Koteks starrte.
    »Natürlich

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