Herbstfrost
über Funk drangen sie gleichzeitig in die Villa ein. Noch
immer fiel kein Schuss.
Plötzlich öffnete sich die Haustür. Ein Unteroffizier schaute heraus
und meldete per Funk: »Hier ist niemand außer uns.«
»Keine Leiche?«, entfuhr es Jacobi. Redl wiederholte die Frage über
das Megafon.
Die Antwort kam prompt. »Nein. Hier an der Haustür ist vermutlich
jemand angeschossen worden, aber das Haus ist leer.«
»Jacobi, Jacobi!«
Eine Gestalt mit blutverschmiertem Gesicht torkelte durch die Büsche
auf sie zu: Schremmer! In seinem Schlepptau befand sich Conte, der ebenfalls am
Kopf blutete. Zwei Sanitäter nahmen sich ihrer an.
»Sorge hat uns niedergeschlagen. Er –«
»Was zum Teufel hattet ihr im Park zu suchen?«, fuhr sie Jacobi an.
Er war so wütend, dass er den Journalisten am liebsten gleich noch eins über
den Schädel gezogen hätte.
»Das ist doch jetzt egal. Als die ersten Schüsse fielen, hielt es
uns nicht mehr am Tor. Ihre Kollegin hätte schon Gewalt anwenden müssen, um uns
zu stoppen.«
»Wo hat Sorge euch erwischt?«
»Dahinten am weißen Pavillon hinter den Zypressen, ganz dicht an der
Gartenmauer. Von dort hat man freien Blick auf die Villa, deshalb sind wir
hingelaufen.«
Redl beorderte ein paar Männer in die angegebene Richtung und machte
sich mit Jacobi auch selbst auf den Weg.
»Aber wie ist Sorge in den Garten gekommen?« Er wandte sich nach
Schremmer um, der ihnen im Laufschritt folgte und sie trotz wackeliger Knie
wieder eingeholt hatte.
»Weiß nicht. Jedenfalls nicht über den Kiesweg, der zur Villa führt.
Er muss hinter uns gewesen sein. Plötzlich sah ich Conte neben mir zu Boden
gehen, und im selben Moment ging auch bei mir das Licht aus.«
»Wo ist Melanie?«
»Keine Ahnung. Sie war noch hinter uns, als wir uns dem
Gartenhäuschen näherten. Ich kam erst wieder zu mir, weil mich Conte ohrfeigte,
um mich wach zu kriegen. Er hatte eine Platzwunde am Kopf. Gleichzeitig spürte
ich, wie es mir warm in den Kragen lief. Von Melanie hab ich nichts mehr
gesehen.«
Ehe sie den Pavillon erreichten, erstattete ein MEK -Mann bereits Meldung: »Unter einer der großen
Steinfliesen im Pavillon endet ein Geheimgang. Wird eben untersucht. Wichtiger
aber ist, dass sich unmittelbar hinter dem Pavillon eine kleine Eisentür in der
Gartenmauer befindet, eine Art Ausfallspforte. Ziemlich verwachsen, steht aber
jetzt offen.«
In diesem Moment knallte es mehrmals vorn an der Toreinfahrt. Drei MEK -Leute rannten los, und ein Motor röhrte auf.
Unverkennbar der Sound der Viper. Schremmers Hände fuhren panisch in die
Hosentaschen. »Mein Schlüsselbund ist weg!«
»Er hat Melanie«, sagte Jacobi vor Wut zitternd, »und hat sich jetzt
das schnellste Auto gegriffen.«
Er rannte hinter den MEK -Leuten her.
Die anderen folgten ihm.
Die Wache bei den Einsatzwagen war angeschossen worden. Dank
kugelsicherer Weste war der Mann nicht lebensgefährlich verletzt, und seine
Kameraden kümmerten sich bereits um ihn.
Als Jacobi das Tor erreichte, sah er gerade noch das rote Heck der
Viper im Morzger Wald verschwinden. Er stürzte zum Quattro, Schremmer, der ihm
auf den Fersen geblieben war, ließ sich in den Beifahrersitz fallen.
»Wahrscheinlich zwingt er Ihre Kollegin zu fahren.«
»Was Sie nicht sagen!«, giftete Jacobi. Er hatte keine Zeit, den
Journalisten hinauszubugsieren, schaltete Blaulicht und Sirene ein und trat das
Gaspedal durch. Schon nach dem ersten Kilometer begriff Schremmer, warum es ihm
vorhin nicht gelungen war, den Quattro einzuholen.
»Rallyefahrer gewesen?«, fragte er.
»Mhm«, grunzte Jacobi. »In den frühen Achtzigern. Aber Redl und
seine Jungs können das auch.«
Schremmer wandte sich um. Die Einsatzwagen des MEK hingen nicht weit zurück, doch der Abstand
vergrößerte sich zusehends.
Reger Funkverkehr setzte ein. Zwei Hubschrauber des
Innenministeriums wurden angefordert, Straßensperren sollten errichtet werden,
und Hans Weider koordinierte in Höchstform sämtliche Aktionen von der Zentrale
aus. Jacobi gab hin und wieder seine Position durch, konzentrierte sich aber
ansonsten aufs Fahren.
»Passiere Montforter Hof. Sorge etwa beim Schloss Hellbrunn.
Schätze, er will bei Salzburg-Süd auf die A10.«
Sie hatten den Morzger Wald hinter sich gelassen und flogen auf die
kurvige Morzger Straße zu. Wieder hatten sie starken Gegenverkehr. Schremmer
verkrampfte sich auf dem Beifahrersitz, erwartete wohl jede Sekunde die
Kollision.
»Ihre Kollegin muss eine
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