Herbstfrost
können, dass du daran gedacht hast. Ich hab in den letzten Tagen
einfach zu wenig geschlafen.«
Der penetrante Signalton der Notrufzentrale ließ sie zusammenzucken.
Stubenvoll nahm den Anruf entgegen.
»Sorge wurde angeblich in einem Supermarkt in Grödig gesichtet«,
meldete er. »Ist möglicherweise auf dem Weg zurück nach Salzburg. Eine
Verkäuferin in der Elektrowarenabteilung hat die Fahndungsfotos im Fernsehen
gesehen und ihn wiedererkannt. Sagt, er habe keine zehn Meter von ihr entfernt
mit ihrem Abteilungsleiter in dessen Büro gesprochen. Sie selbst sei
unauffällig zwischen zwei Warenzeilen in Deckung gegangen und habe, nachdem die
Luft rein war, den Notruf angewählt.«
MEK , Cobra und die auf Sorge
angesetzten Gendarmerieeinheiten hörten von nun an jede eingehende Meldung über
Telefonkonferenzschaltung mit. Die Kommunikation lief nicht mehr über den Polizeifunk,
der abgehört werden konnte.
»Das wollte er doch schon seit Beginn seiner Flucht«, sagte Weider.
»Was?«, fragte Jacobi.
»Irgendwo in der Stadt untertauchen. Aber anfangs hatte er dazu
keine Gelegenheit, weil er Melanie gekidnappt und dich am Arsch hatte.«
Jacobi hob die Augenbrauen. »Du meinst, er hat Melanie absichtlich
entkommen lassen, um mich wieder loszuwerden?«
»Oder etwa nicht?«, antwortete Weider mit einer Gegenfrage.
»Möglich«, grunzte Jacobi. »Zuzutrauen wär’s ihm. Lass
vorsichtshalber den Abteilungsleiter dieses Supermarkts festnehmen und
verhören. Vermutlich ist er einer der Sökos, die nicht auf der Diskette
gespeichert sind. Kann sein, dass Sorge bei ihm untertauchen will.«
Wieder leuchtete das Lämpchen »Notrufzentrale« auf und wurde von dem
schrillen Alarmton begleitet. Diesmal drückte Weider gleich auf die
Lautsprechertaste.
»Hier ist noch einmal Zenzi Sabs, die Verkäuferin aus dem E-Markt
Grödig. Ich bin dem Mann in die Tiefgarage gefolgt. Hab gesehen, in welchen
Wagen er eingestiegen ist …«
»So eine Verrückte«, brummte Jacobi dazwischen.
»… und hab mir auch das Kennzeichen gemerkt. Salzburg Land A 5525.
Ein dunkelblauer Opel Astra. Krieg ich jetzt die fünfzigtausend Schilling?«
»Sollte Ihr Hinweis zur Ergreifung des Gesuchten führen, ganz
bestimmt, Frau Sabs«, versicherte Weider. »Aber eben erst dann. Geben Sie dem
Kollegen noch einmal Namen, Telefonnummer und Adresse durch. Wir werden uns im
Fall des Falles darum kümmern. Versprochen.« Er unterbrach die Verbindung und
fragte: »Haben alle das Kennzeichen mitgeschrieben?«
»Haben wir«, antwortete Redl sofort. »Wenn es wirklich Sorge ist und
er den Wagen in den nächsten fünf Minuten nicht ein zweites Mal wechselt, dann
kriegen wir ihn.«
Jacobi ging zur Tür. »Und wohin willst du?«, fragte Weider.
»Zu Melanie«, sagte Jacobi gleichmütig.
»Jetzt, wo wir knapp davorstehen, Sorge zu erwischen?« Weider war
fassungslos.
Jacobi zuckte mit den Achseln. »Ich glaube nicht, dass er in den
nächsten Minuten den Wagen noch einmal wechselt, also wird ihn Lenz schnappen.
Wenn es so weit ist oder wenn sich sonst was Wichtiges tut, wirst du mich ja
benachrichtigen. Von Nilson noch immer keine Spur?«
Weider schüttelte den Kopf, und Jacobi breitete die Hände aus.
Siehst du, was soll ich dann noch hier?, sollte das wohl heißen.
***
Aber Jacobi fuhr nicht zum Unfallkrankenhaus, das nur einen
Katzensprung entfernt lag, sondern nach Großgmain hinaus zum
Heiligenkreuz-Spital. Als er zum zweiten Mal an diesem Tag am Knoten Süd auf
die A 10 fuhr, erreichte ihn die Meldung, der
Opel mit dem Kennzeichen SL – A 5525
sei in der Moosstraße gesichtet worden. Die Jagd auf Sorge wurde nun doch
wieder offen über den Polizeifunk koordiniert. Ein untrügliches Zeichen dafür,
dass sich die Schlinge um ihn zusammenzog.
Das Autotelefon läutete. Redl war dran. »Der Astra gehört dem Mann,
der die Viper nach Zell fahren sollte. Ein Mechaniker aus Grödig. Die
Cobra-Leute haben ihn bereits mit Nachdruck verhört. Sorge und er haben die
Autos in Berchtesgaden getauscht. Sorge ist zunächst nach Grödig, dann nach
Glanegg gefahren und versucht nun über die Moosstraße in die Innenstadt zu
gelangen. Ist jetzt auf Höhe Leopoldskron. Scheint aber, wie ich eben höre, die
Straßensperre bei der Mariahilfkirche gerochen zu haben, und versucht nun nach
rechts über den Sternhofweg auszubrechen.«
»Und wo bist du?«
»Dreimal darfst du raten. Du kennst die Neunzig-Grad-Kurve in dem
Wäldchen kurz vor Sternhof? Dahinter
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