Herbstfrost
Die drei Pkws, die ihm gefolgt waren, parkten
diszipliniert hinter ihm. Jacobi stieg aus und winkte Schremmers Bodyguards zu
sich.
»Wir drei gehen jetzt rein. Und ihr«, damit meinte er Kotek,
Schremmer und Conte, »bleibt hier bei den Wagen und wartet, bis Redl anrückt.
Melanie, du lässt die Herren auf keinen Fall in den Park, okay?« Sie nickte,
sichtlich nicht begeistert von der Aussicht, Kindermädchen spielen zu müssen.
Der Park war dicht von Bäumen und Sträuchern bestanden. Alles war
ruhig. Nur der Kies auf der Buchenallee knirschte unter den Schritten der drei
Männer.
Die Allee führte zum Parkplatz vor einer Jugendstilvilla.
Treppenaufgang und Portal waren aus Untersberger Marmor, am Fuß der Treppe
stand ein hellblauer BMW 750i, in dessen
Kofferraum ein Mann soeben einen schweren, sperrigen Gegenstand verstaute. Die
anstrengende Tätigkeit nahm ihn so in Anspruch, dass er die sich nähernden
Beamten nicht bemerkte. Sie waren noch etwa fünfzig Meter von ihm entfernt.
»He, Sie da!«, rief Jacobi.
Der Mann zuckte zusammen, blickte hoch – und griff unter sein Sakko.
Es war Sorge. Noch ehe er eine Waffe in Anschlag bringen konnte, sprinteten die
Kriminaler auseinander und gingen hinter den Buchenstämmen in Deckung. Sekunden
später begann eine automatische Pistole zu rattern und von Morzg her waren die
Alarmsirenen der MEK -Einsatzwagen zu hören. Sorge
schlug den Kofferraum zu, griff einen am Boden stehenden Aktenkoffer und rannte
ins Haus.
Jacobis Begleiter verloren keine Zeit und versuchten im Schutz der
dichten Parkvegetation so schnell wie möglich hinter die Villa zu gelangen.
Sorge sollte keine Gelegenheit erhalten, sich durch einen Hinterausgang zu
empfehlen und irgendwo über die Parkmauer zu klettern.
Jacobi stand auf, klopfte sich den Schmutz von der Hose und zündete
sich eine Zigarette an. Rauchen war schädlich, aber nicht so schädlich wie
Übereifer. Wäre er jetzt Richtung Haus gegangen, hätte er Waschhüttl womöglich
einen großen Gefallen getan. Sorge war gefährlich wie ein in die Enge getriebener
Tiger und verfügte sicher über ein gut sortiertes Waffenarsenal.
Zwei Minuten später war das Einsatzkommando vor Ort. Als sich die
Männer routiniert im Gelände verteilt hatten, reichte Redl Jacobi das Megafon.
»Sorge, ergeben Sie sich! Es hat doch keinen Sinn mehr. Warum soll
noch mehr Blut fließen? Dreißig Mann haben die Villa umstellt. Nicht mal eine
Fliege kommt da noch unbemerkt raus.«
Keine Antwort. Auf ein Kopfnicken Jacobis gab Redl per Funk
Anweisung zum Vorrücken.
Nicht ein einziger Schuss fiel. Auch dann nicht, als einer der
Antiterrorspezialisten in das Cockpit des BMW kroch, die Zündung kurzschloss und den Wagen aus der unmittelbaren Gefahrenzone
fuhr. Währenddessen waren zehn Sturmgewehre auf die Frontfenster gerichtet
gewesen.
»Frauenleiche im Kofferraum«, meldete der MEK -Mann
Sekunden später über Funk. »Noch nicht kalt.«
Jacobi lief zum BMW . Gudrun Sorges
Augen standen halb offen, als würde sie eben erwachen. Der Einschuss saß genau
in der linken Brust, es war kaum Blut ausgetreten.
»Neun Millimeter Para«, sagte Redl fachmännisch.
Der nur von einem Schlafrock verhüllte Leichnam bot keinen schönen
Anblick. Überall Schürfwunden und Ödeme. Bevor sie starb, war sie verprügelt
worden.
Jacobi machte sich Vorwürfe. Warum hatte er Gudrun Sorge nicht schon
im Palais Auerspach einvernommen? Natürlich war das nicht vorgesehen gewesen,
aber sie hatte doch ziemlich deutlich erkennen lassen, dass sie ihm etwas hatte
sagen wollen.
Zornig schnappte er sich das Megafon. »Sorge, geben Sie endlich auf!
Wir haben die Leiche Ihrer Frau gefunden. Ihre Lage ist aussichtslos. Schluss
mit dem Theater!«
Doch auch der zweite Appell blieb unbeantwortet. Jacobi war nicht
überrascht, sondern rechnete vielmehr mit einem einzelnen Schuss. Sorge hatte
seine Frau ermordet. Hatte das Liebste, das er besaß, zerstört. Wenn er der
Alpha-Wolf war, so hatte er die Katabasis seiner Organisation durch die
Preisgabe der Diskette und den fingierten Selbstmord Rottensteins bereits
vorweggenommen. Nachdem seine Flucht von den Beamten vereitelt worden war,
würde er nun wohl Hand an sich selbst legen. – Aber der erwartete Schuss fiel
noch immer nicht.
»Sorge, wo ist Nilson? Haben Sie ihn auch umgebracht?«
Keine Antwort.
Fast geräuschlos hatten die MEK -Leute
die Fassade der Villa erklommen und in die Fensterscheiben Löcher geschnitten.
Nach einem Signal
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