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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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musste zu ihm aufschauen.
    »Sie sind ein sehr vorsichtiger Mann«, sagte er mit einem
bezeichnenden Blick auf den Doppelriegel an der Haustür.
    »Und Sie wohl ein besonders mutiger, was?«, gab Schremmer nicht eben
freundlich zurück. Seine leuchtenden Augen passten zum dunklen Teint und den
lackschwarzen Haaren. Man sah ihm nicht an, dass er Kontaktlinsen trug.
    »Kann ich den Ausweis noch einmal sehen?«, fragte er. Jacobi kramte
ihn wieder hervor. Schremmer studierte die in Folie geschweißte Karte
sorgfältig, bevor er sie zurückgab, zur Seite trat und den Besucher hineinließ.
Als Jacobi an ihm vorbeiging, stieg ihm ein Eau de Toilette in die Nase, das
ihm fast die Schuhe auszog. Flogen die Damen tatsächlich auf Patschuliduft?
Schremmer galt als großer Womanizer, auch das hatte Jacobi auf der Fahrt
hierher von seinen Kollegen erfahren.
    Die Wohnung war geräumig, das Mobiliar alt, aber gemütlich. Der
Schreibtisch im Arbeitszimmer sah verdächtig aufgeräumt aus. Er stand auch
nicht am Fenster, wo, nach den Abdrücken im Teppich zu schließen, früher sein
Platz gewesen war, sondern an einer Seitenwand. Geringfügigkeiten – aber sie
entgingen Jacobi nicht. Über dem Schreibtisch hing ein echter Kumpf. Eine
Ansicht der Darscho-Salzlacke im burgenländischen Seewinkel. Ein wunderbares
Bild. Jacobi wäre jede Wette eingegangen, dass sich dahinter ein Wandsafe
verbarg.
    Sie gingen ins nebenan liegende Wohnzimmer. Auch hier waren der
niedrige Wohnzimmertisch und die beiden ausgeblichenen Fauteuils auffällig vom
Fenster weggerückt worden. An den Druckstellen im anatolischen Teppich konnte
man sehen, wo die Möbel ursprünglich gestanden hatten.
    »Was zu trinken?«, fragte Schremmer. »Ach so, ich vergaß: Sie sind
ja im Dienst.«
    »Ich bin im Dienst, ja«, sagte Jacobi, »aber ein so freundliches
Angebot schlage ich nicht aus. Einen Manhattan trocken, wenn’s nicht zu viele
Umstände macht.« Er ließ sich unaufgefordert in einen der Polstersessel fallen
und nestelte seine Zigaretten aus der grauen Lederjacke.
    »Ich bin Nichtraucher«, sagte Schremmer.
    »Schön für Sie. Ich versuche schon seit Jahren aufzuhören.«
    Jacobi blies bereits kleine Rauchringe in die Luft, als Schremmer
zum ersten Mal grinste. Er ging zum Bücherbord, das sich über die gesamte
gegenüberliegende Zimmerwand erstreckte, und drückte neben einer
Brockhaus-Enzyklopädie auf einen unscheinbaren Knopf. Die dreistöckige
Bücherrückenattrappe glitt zur Seite und gab den Blick auf eine gut bestückte
Hausbar frei.
    Eis klimperte in ein Kristallglas, Schremmer warf eine Olive dazu,
goss Bourbon, Angostura und Vermouth drüber und brachte dem Besucher den Drink.
    »So recht?«
    Jacobi kostete. »Wunderbar. Sie trinken nichts?«
    »Später. Ich hatte vorhin schon einen.«
    »In Gesellschaft eines Priesters, der einen schwarzen BMW fährt?«
    Schremmer bemühte sich gar nicht erst, Überraschung zu heucheln.
»Und Sie kommen also geradewegs von Paul Basidius und Ruth Maybaum? Alle
Achtung, Sie verlieren keine Zeit.«
    Die Kummerfalten in Jacobis Gesicht vertieften sich. »Dabei ist
gerade die Zeit mein Problem. Wenn Sie mir den Namen des Priesters sagen,
ersparen Sie mir einige Anrufe.« Er zückte sein Notizbuch. »Die Nummer des
Wagens habe ich aufgeschrieben. Sie lautet …«
    »Geschenkt«, unterbrach ihn Schremmer. »Der Mann heißt Dr. Franz
Behrens. Ich vermute, Sie wollen seine Adresse?«
    »Wäre hilfreich.«
    »Behrens wohnt im Heiligenkreuz-Spital, Großgmain, St.-Georg-Straße 1
bis 3. Das Krankenhaus wird von Gladius Dei geführt. Er ist der Leiter.«
    »St. Georg war der Drachentöter. Nicht unpassend für eine
Organisation wie Gladius Dei.« Jacobi trug Namen und Adresse sorgfältig in sein
Notizbuch ein, während Schremmer mit einem Kugelschreiber spielte, der auf dem
Wohnzimmertisch gelegen hatte.
    »Sie sind nicht zufällig jener Jacobi, der voriges Jahr diesen
Serienkiller aufgespürt hat? Wie hieß er doch gleich?«
    »Krug. Wolfgang Krug. Ja, das war unser Referat.« Jacobi zügelte
seine Ungeduld. Er spürte, dass Schremmer grundsätzlich nicht abgeneigt war,
sich ihm anzuvertrauen. Die Frage war aber, wie viel von seinem Wissen er preisgeben würde.
    »Man sagt, Sie seien bis zum Abschluss eines Falls verschlossen wie
eine Auster«, tastete sich Schremmer weiter. Jacobi zuckte die Schultern.
»Kommt auf den Fall an.«
    Jacobi spürte, dass es sich jetzt entscheiden würde. Schremmer war
der Prototyp des

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