Herbstfrost
schon finden.« Er starrte seinen Freund mit Kulleraugen-Blick
an. »Und wer weiß, vielleicht bezirzt sie dich dann ebenso wie den armen
Behrens und trällert dir mit rauchiger Stimme ins Ohr: Ich trrreib es so gerrrn
… taramtamtam … mit den älterrren Herrrn …« Weider intonierte in
Zarah-Leander-Manier und tanzte im Tangoschritt durchs Büro.
»Wie viel Kaffee hast du denn schon gesoffen?«, fragte Jacobi
prosaisch. »Du bist ja total durch ‘n Wind. Wenn die Sache beim ›Welikije-Luki‹
gelaufen ist, fährst du gleich nach Hause. Ich lass mich von deiner Inge kein
zweites Mal auf offener Straße als Sklaventreiber beschimpfen.«
Weider winkte ab. »Bitte, häng jetzt nicht den Menschenfreund raus!
Den nimmt man dir nämlich ebenso wenig ab wie einer Nutte das
Keuschheitsgelübde. Warten wir lieber bis neun und auf die Wünsche, die du dann hast! Ach ja, vor lauter Blödeln hätt ich beinah
vergessen, dass Schremmer und Ruth Maybaum inzwischen zum ›Hirschen‹
rübergefahren sind.«
»Vielleicht gönnt er sich noch eine Henkersmahlzeit, ehe er zum Date
fährt.«
»Wie auch immer: Ich bin drüben im Info-Center, wenn du mich
brauchst.« Weider verließ das Büro.
Das Telefon auf Jacobis Schreibtisch läutete. Er hob ab. »Referat 112,
Delikte gegen Leib und Leben.«
»Kastner.« Der unverkennbare Bass des Gladius-Dei-Generals. »Spreche
ich mit Hauptmann Jacobi?«
»Am Apparat.«
»Jacobi, Pater Behrens hat mir von seiner – äh – Beziehung zu diesem
Mädchen berichtet.«
»Sie meinen Jutta Dietrich?«
»Ja, die Diplomkrankenschwester Jutta Dietrich. Das … hrrm … das
kommt alles sehr überraschend für uns. Es wird zu überlegen sein, ob wir unsern
Mitbruder nicht auf dem falschen Platz eingesetzt haben.«
»Sie entschuldigen, wenn ich Sie unterbreche, Pater General. Als
Mensch und Mann habe ich vollstes Verständnis für Behrens, bedenklich erscheint
mir allerdings die Abhängigkeit, in die er dem Personal gegenüber geraten ist.
Hat er Ihnen das –«
»Doch, doch! Das hat er mir erzählt. Alles!«, beeilte sich der General
zu versichern. »Und ich weiß auch über die Folgen Bescheid, die das – äh –
delikate Verhalten unsres Mitbruders nach sich gezogen hat. Wirklich
bestürzend. Im höchsten Maße bestürzend. Es wird viel Zeit und Mühe kosten, den
Status quo ante wiederherzustellen. Aber nun zu Ihnen, mein lieber Jacobi: Wenn
ich Ihnen bei Ihren Ermittlungen irgendwie behilflich sein kann, dann melden
Sie sich einfach bei mir, nicht wahr? Mein Sekretär wird Ihnen meine
Privatnummer geben. Ich bin zu jeder Tages- und Nachtzeit für Sie zu erreichen.
Gladius Dei lebt und wirkt zwar im Verborgenen, aber Sie wissen ja, wie das
ist: Man kennt da und dort ein paar Leute, denen man einen Gefallen erwiesen
hat und die einem dann im Fall des Falles weiterhelfen.«
Der liebe Jacobi grinste. »Ich werde gern auf Ihr Angebot
zurückkommen, sollten es die Umstände erfordern, Pater General. Vermutlich
haben Sie es schon von Behrens erfahren: Wir sehen uns zurzeit mit Verbrechen konfrontiert,
deren Dimension alles sprengen könnte, was nach 1945 an Vergleichbarem in
unserm Land passiert ist. Ich muss einem Mann wie Ihnen nicht sagen, wie heikel
sich die Angelegenheit besonders für die Exekutive darstellt. Vorläufig sind
nur einige Behörden eingeweiht und zu absoluter Diskretion verpflichtet worden.
Wir stehen erst am Anfang der Ermittlungen, sind den Seniorenkillern aber schon
dicht auf den Fersen. Wäre jammerschade, wenn man uns den Fall jetzt wegnähme
und exklusiv der Stapo übertragen würde. Sollte diesen Ausgeburten der Hölle
nicht so schnell wie möglich das Handwerk gelegt werden? Meine Truppe ist dazu
in der Lage. Und wenn wir erst den Kopf der Bande haben, dann wird sich niemand
mehr für Dinge interessieren, die mit den Sökos nur indirekt zu tun hatten – so
wie Pater Behrens. Ein Kompetenzstreit zwischen Behörden würde dagegen einigen
Staub aufwirbeln. Die Akte würde durch etliche Hände wandern –«
»Um Gottes willen, bloß nicht!«, ächzte Kastner.
»– und nur die Verbrecher zögen Nutzen daraus«, beendete Jacobi den
unterbrochenen Satz. »Sie würden Zeit gewinnen, könnten sich gegebenenfalls
absetzen, während ringsum eine Menge Porzellan zerschlagen werden würde.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann. Und zwar ungeachtet der
Tatsache, dass Sie ein elender Erpresser sind, Hauptmann Jacobi.«
»Um eine kleine Gefälligkeit wollte ich Sie
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