Herbstfrost
Luki‹
sind informiert?«
»Natürlich, Chef.«
»Was Neues von Redl?«
»Im Moment nicht.«
»Hm, jetzt ist es gleich halb neun. Schremmer wird demnächst am
Lagerplatz aufkreuzen. Dann wollen wir mal hoffen, dass alles gut geht.«
Das Warten zerrte an Jacobis Nerven. Als um halb neun Kotek
zurückkam, war er für die Ablenkung dankbar. In den letzten zwei Stunden hatte
er mehr geraucht als sonst an einem Tag, und auch Weider trank Unmengen von
Cola und qualmte wie ein Misthaufen. Sein Kaffeekonsum war hingegen streng
limitiert. Mehr als fünf Tassen pro Tag vertrug er nicht, und Jacobi versuchte
nach Möglichkeit darauf zu achten, dass sein Freund dieses Limit nicht
überschritt.
Kotek hatte noch im Fotolabor zu tun, als sich die stumme Spannung
im Info-Center in geschäftiges Brodeln auflöste. Beim »Welikije Luki« ging es
los.
Schremmer war pünktlich gewesen. Ab zwanzig Uhr fünfzig kamen in
unregelmäßigen Abständen die Meldungen über Telefon oder Funk herein. Jacobi
starrte gebannt auf Weiders Allerheiligstes, die Funk- und Telefonzentrale.
»S. kommt langsam die Rauchenbichlerstraße runter.«
Sekunden später: »Hält vor dem Lokal ›W. L.‹ an. Macht die
Scheinwerfer aus. Steigt aus, schließt den Wagen ab.«
Nach einer längeren Pause: »S. geht um das Gebäude herum auf
den Lagerplatz zu. Betritt ihn durch das Tor, das einen Spaltbreit offen steht.
Kein Sichtkontakt mehr!«
War das Warten bisher schon nervenaufreibend gewesen, so wurde
es jetzt schließmuskelverkrampfend.
Endlich meldete sich Max Haberstroh wieder. »Wir haben die
Schwarzledernen entwaffnet. Schremmer war eben am Tor aufgetaucht –« Zwei in
kurzem Abstand abgefeuerte Gewehrschüsse ließen ihn verstummen.
»Was ist los, Max?«, brüllte Jacobi. »Melde dich! Verdammt noch mal,
so melde dich doch!«
Knacken und Knistern im Lautsprecher – dann nichts mehr.
Nach einer vollen Minute lähmender Ungewissheit war Haberstroh
wieder da. »Du wirst es nicht glauben, Chef, aber Lenz hat tatsächlich diesen
verdammten Dritten erwischt, den wir dir nicht abkaufen wollten.«
»Wo war er? Im ›Welikije Luki‹?«
»Bist du vielleicht Hellseher, Chef?«
»Quatsch. Wo sonst hätte er sein sollen? Schließlich habt ihr nur
zwei Typen auf den Lagerplatz kommen sehen.«
»Er hat sich hinter einem der Fenster bis zuletzt versteckt
gehalten. Erst als Schremmer am Tor auftauchte, muss er sich irgendwie verraten
haben. Es knallte, wir rissen Schremmer zu Boden, aber da war alles schon
vorbei. Lenz kann dir das viel authentischer berichten. Im Gegensatz zu Leo und
mir hat er felsenfest mit dem dritten Mann gerechnet. Du hast es ja gesagt,
also musste auch einer da sein.«
»Seid froh, dass Lenz aufgepasst hat, sonst würden euch jetzt die
Sprüche im Hals stecken bleiben. Hätte man Schremmer erschossen, dann hättet
ihr euch auf Hundstage gefasst machen können.«
Doch der locker-schnoddrige Wortwechsel war nur Ausdruck ihrer
ungeheuren Erleichterung. Jacobi hatte weiche Knie und wusste: Haberstroh und
Feuersang hatten noch weichere.
»Gib mir den Lenz!«
»Er ist ins ›Welikije Luki‹ gerannt, um nach dem Angeschossenen zu
sehen, Chef. Du musst ihn auf seiner Frequenz anrufen.«
Weider tat das umgehend für Jacobi.
»Lenz? Wie ist es gelaufen?«
»Alles paletti, Chef. Ich lag auf einem Stapel Bretter unter einer
Abdeckplane. Hatte freie Sicht zum Tor und zur Rückseite des ›Welikije Luki‹.
Der dritte Typ musste hinter einem der Fenster Stellung bezogen haben, es waren
ja nur zwei auf den Platz gekommen. Die haben sich allesamt ganz schön Zeit
gelassen. Als sie eintrudelten, waren wir schon steif vom stundenlangen
Herumliegen.«
»Unbequem, was? Und dann?«
»Max und Leo haben sich langsam an die beiden herangepirscht. Als
Schremmer am Tor auftauchte und sie ihn anvisierten, hat Leo sein Sprüchlein
aufgesagt und sie entwaffnet. Ich habe trotzdem die Fenster nicht aus den Augen
gelassen. Und wirklich, der dritte Typ war ein ganz durchtriebener Hund. Obwohl
seine Kumpane schon gestellt waren und der Hof von unsern Leuten nur so
wimmelte, hat er eiskalt den günstigsten Zeitpunkt abgewartet.«
»Als alle Richtung Tor gingen«, ergänzte Jacobi.
Redl grunzte zustimmend. »Der Schalldämpfer ragte vielleicht gerade
mal fünf Zentimeter zwischen den Gardinen hervor. Schremmer hatte irres
Schwein. Ich bin nur zufällig mit der Zieloptik zu diesem Fenster geschwenkt,
hätte auch eins der sieben anderen sein können.
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