Herbstfrost
und eingeschlafen bin. Aber ich werde jetzt
gleich mit ihr reden.«
»Wieso? Ich dachte, sie sei nicht mehr da?«
»Das dachte ich auch. Aber zu unserm Glück habe ich mich geirrt.«
»Du meinst: zu deinem Glück.«
»Dein Neid ist völlig unangebracht. Frauen wie die lassen nur
Millionäre an sich ran. Außerdem wird sie ja kaum wie Melanie an einer
Geschmacksverirrung leiden, oder?«
»Nur Millionäre? Das stimmt doch nicht. Behrens passt beispielsweise
nicht in dieses Beuteschema. Und was den Geschmack angeht, ist Melanie der
beste Beweis …«
»Beweis wofür?«, fragte Jacobi, da Weider nicht weitersprach. Jutta
Dietrich hatte sich in den Frotteebademantel gehüllt und kam näher.
»Nun, dass gerade die schönsten Frauen auf die zerknautschtesten
Typen fliegen«, ergänzte Weider.
»Vielen Dank auch.«
»Nichts zu danken. Wann kommst du zurück?«
»Im Laufe des Nachmittags. Genauer kann ich’s noch nicht sagen.«
»Verstehe. Bringst du die Puppe mit? Falls du kein
Zeugenschutzprogramm für sie beantragst, denk dran, ihr wenigstens einen
Quartierwechsel zu empfehlen. Wenn wir sie gefunden haben, werden das die Sökos
auch zustande bringen. Und noch ein guter Rat zum Abschied: Überanstrenge dich
nicht!«
»Sagte neidvoll der Ochse zum Bullen. Bis später!« Jacobi legte auf.
Jutta Dietrich stand direkt vor ihm.
»Morgen, Jacobi! Ausgeschlafen?«
»Guten Morgen. Ja, hab sehr gut geschlafen. Besser und länger als in
den letzten Nächten. Jedenfalls haben wir beide jetzt keine Ausrede mehr, nicht
endlich zur Sache zu kommen.«
Sie grinste anzüglich. »Na ja, wenn Sie das sagen …«
Jacobi spürte entsetzt, wie ihm das Blut nicht nur in den Kopf
stieg, und zu seinem noch größeren Entsetzen merkte er, dass ihr seine Reaktion
nicht entgangen war. Sie rettete die Situation, indem sie sagte: »Aber vorher
frühstücken wir noch. In einigen Minuten habe ich alles fertig. Vielleicht
wollen Sie sich inzwischen ein bisschen frisch machen?«
***
Unter der Dusche inspizierte Jacobi seinen trainierten, aber
doch etwas gedrungenen Körper. Die Arme waren zu lang, die Beine um eben diese
Kleinigkeit zu kurz und die Behaarung zu üppig. Doch der zottige Natur-Overall
passte gut zu seinem Gesicht.
Er zuckte mit den breiten Schultern. Der Wunschtraum, die Tür könnte
aufgehen und Jutta Dietrich zu ihm in die Duschkabine schlüpfen, würde unter
solchen Voraussetzungen wohl ein Traum bleiben.
Tatsächlich hatte er mit dieser Vermutung recht, aber beim Frühstück
trug Jutta Dietrich noch immer nur den Bademantel. Jacobi sperrte seine
Phantasie in die Ausnüchterungszelle und beschloss, sich in Zukunft auf seine
Arbeit zu konzentrieren. Aber zunächst konzentrierte er sich aufs Frühstück.
Seine Gastgeberin hatte aufgetischt, als hätte er wochenlang nichts zu essen
bekommen.
»Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gut
gefrühstückt habe.«
Er lehnte sich aufstöhnend zurück und griff nach den Zigaretten. Die
geschnitzte Wanduhr zeigte halb elf. Sie saßen sich auf Tuchfühlung am kleinen
Küchentisch gegenüber. Wie die Zirbenstube war auch die solide Ahornküche ein
Meisterstück alpenländischer Handwerkskunst.
»Wenn die Patienten im Heiligenkreuz-Spital auch so verwöhnt werden,
beginne ich manches besser zu verstehen«, versuchte er den Einstieg.
Sie schenkte ihm Kaffee nach und fragte lächelnd: »War das der
Auftakt zur Vernehmung? Ich mach Ihnen einen Vorschlag: Sie sagen mir, was Sie
wissen, und ich ergänze das Fehlende, soweit es mir möglich ist.«
Er blies die erste Rauchwolke in Richtung Küchendecke und schüttelte
den Kopf. »Nein, Frau Dietrich, jetzt spielen wir nach meinen Regeln. Sie berichten, und ich höre zu.«
Er nahm einen kleinen Rekorder aus seiner Aktentasche, legte ihn vor
sich auf den Tisch und sprach die relevanten Daten vorab aufs Band, bevor er
sich wieder direkt an Jutta Dietrich wandte: »Am besten, Sie beginnen mit dem
Tod des Bierbarons Kummetinger.«
Sie las es in seinen Augen: Die Zeit der flapsigen Sprüche war
vorbei. »Also gut«, begann sie. »Um es kurz zu machen: Was mir Bodo vermacht
hat, ging einigen Neidern an der Klinik über die Hutschnur. Sie setzten Behrens
unter Druck, der eh schon vor Eifersucht überkochte. Er machte mir eine Szene
nach der anderen und hielt mir Moralpredigten. Ich nehme an, Sie wissen über
unser Verhältnis Bescheid?«
Als Jacobi nickte, fuhr sie fort: »Irgendwann erwischte er mich auf
dem falschen
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