Herbstfrost
gibt’s,
Hans?«
»Oskar! Gott sei Dank, du lebst! Nein, sag nichts! Du bist im
Jagdhaus bei der Dietrich, stimmt’s?«
»Ich bin im Jagdhaus, ja. Aber ob die Dietrich noch da ist, wird
sich erst noch herausstellen. Hab leider verschlafen.«
»Er hat verschlafen, der Arme! Ich hab dir doch gleich gesagt, sie
wird dich einwickeln. Erst hat sie dich fertiggemacht, damit du wie ein
Murmeltier schläfst, und dann ist sie abgezwitschert. War es so, oder hab ich
recht?«
»Sie hat mich nicht fertiggemacht, du Koffer! Ich bin hier
angekommen und wie ein Mehlsack in ein Gästebett gefallen. Und wehe dir, du
kolportierst im Büro eine andere Version. Aber was sollte die geistreiche
Feststellung, dass ich noch lebe?«
»Du hast ja keine Ahnung, was sich hier abspielt, und vor allem, was
sich heute Nacht in deinem Penthouse abgespielt hat! Dein Schlafzimmer ist nur
noch ein Trümmerhaufen.«
»Was? Hans! Du hast doch nicht etwa wieder angefangen zu trinken?«
»Das ist kein sehr geistreicher Scherz, Oskar. Man hat dir
Plastiksprengstoff unters Bett gelegt. Dein geliebtes Himmelbett existiert
nicht mehr. Ich darf gar nicht daran denken, was gewesen wäre, wenn …! Du bist
ja kein schreckhafter Typ, schaust auch nicht jeden Abend unters Bett, bevor du
schlafen gehst. Aber im Ernst: Hättest du nicht diese romantische Ader, dass du
die Dietrich beschützen wolltest, dann wärst du seit Stunden tot. Zu
Hackfleisch zerfetzt.« Weider versuchte seiner Bewegtheit Herr zu werden. Es
gelang ihm nur teilweise.
»Gott, waren wir froh, als wir kapierten, dass du noch in dieser
Nacht losgefahren bist, um dir Jutta Dietrich vorzunehmen«, fuhr er mit
brüchiger Stimme fort. »Wollte sagen, um sie zu vernehmen. Weißt du, was
Melanie gesagt hat? Sollte dir dein Eros jedes Mal das Leben retten, dann gönnt
sie dir hundert Jutta Dietrichs. Eine wirklich tolle Frau! Ich werde nie wieder
was sagen, das sie als Geringschätzung auffassen könnte. Aber leider hat sie ja –«
»– diesen Hang zu alten, zerknitterten Typen, ich weiß, Hans. Warum
erinnern mich deine Bonmots nur immer an Mottenpulver? Aber das mit dem
Schlafzimmer, das geht mir wirklich an die Nieren. Bin ich froh, dass Nadine
zurzeit bei Maruschka ist und von alldem nichts mitkriegt.«
»Kann ich dir nachfühlen. Irgendjemand bei den Sökos dreht
jedenfalls gerade völlig durch. Diese Brachialmasche widerspricht total ihrem
Prinzip des Leisetretens. Erst Schremmer, dann Grabowsky – und jetzt du! Man
mag es ja kaum glauben: Sie legen sich ganz offen mit uns an!«
»Hast recht. Irgendwas geht da ganz und gar nicht mehr zusammen.
Kann mir übrigens gut vorstellen, was im Referat los ist. Waschhüttl wird ganz
schön rotieren.«
»Das ist eine nette Umschreibung. Wie immer fühlt er sich
unzureichend informiert. Er ist jetzt bei Kandutsch, bin gespannt, was dabei
rauskommt. Die Medien nehmen uns den kleinen Bandenchef Grabowsky und die
Panikreaktionen seiner Hehler nämlich leider nicht mehr ab. Es war unmöglich,
das Attentat auf dich zu verheimlichen. Conte wusste beispielsweise früher
davon als wir. Die morgige Ausgabe der ›K. u. K.‹ wird einigen Staub
aufwirbeln. Überleg’s dir also noch einmal: Sollten wir nicht doch eine Andeutung
in Richtung Sökos machen?«
»Nein. Wien wäre damit bestimmt nicht einverstanden. Außerdem muss
ich ja nicht in Waschhüttls offenes Messer laufen. Wenn wir ohne Not die
Diskretionsorder missachten, dann hat er mich am Arsch.«
»Und deshalb bist du so gut gelaunt?«, staunte Weider.
Tatsächlich war Jacobis Stimmungsbarometer in den letzten Sekunden
steil angestiegen. Er hatte Jutta Dietrich entdeckt. Sie badete nackt im
Weiher. Anfang Oktober! Auf einer Holzpritsche am Ufer lagen Handtücher und ein
roter Bademantel.
Als sie merkte, dass er zu ihr hinübersah, winkte sie ihm zu. Mit
ein paar Schritten erreichte sie das Ufer und stieg aus dem Wasser – aus sehr
kaltem Wasser, wie ihre Gänsehaut anschaulich verdeutlichte.
»Was anderes, Hans«, wechselte Jacobi das Thema, »bist du mit dem
Datenvergleich vorangekommen?« Noch immer starrte er fasziniert auf die nackte
Frau. Sie griff nach den Handtüchern und begann sich zu frottieren. Sein
Starren schien sie nicht zu stören.
»Ich glaub schon. Aber am Telefon möchte ich darüber lieber nicht
sprechen. Hast du von Jutta Dietrich was Brauchbares erfahren können?«
»Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nach meiner Ankunft hier
oben sofort in ein Bett gefallen
Weitere Kostenlose Bücher