Herbstfrost
er wusste, dass es
passieren könnte. Von Beihilfe zur Selbsttötung kann keine Rede sein. Ich habe
einen Brief von Bodo, der von ihm unter fachkundiger Beratung seines Anwalts
aufgesetzt wurde. Der Anwalt und ein Notar sind im Besitz von Kopien.«
Jacobi winkte ab. »Für mich ist das trotzdem Beihilfe. Aber ich bin
nicht hier, um mit Ihnen eine Ethikfrage zu diskutieren.«
»Da haben Sie verdammt recht. Das ist nämlich Sache des
Staatsanwalts.«
»Wie ging’s dann also weiter? Behrens dürfte über Ihre Mitwirkung
bei diesem Liebesharakiri nicht eben begeistert gewesen sein.«
»Obwohl er total austickte, wurde alles vertuscht – im Interesse der
Angehörigen Kummetingers und in seinem eigenen. Nur fünf Personen wussten
zunächst über die näheren Umstände Bescheid: Kummetingers Frau, einer unsrer
Ärzte, Behrens, Sandra und ich.«
»Dann muss von den eben Genannten jemand geplaudert haben. Meinen
Informationen nach sind die Sökos unmittelbar nach Kummetingers Tod an Sie
herangetreten.«
»Stimmt. Grabowsky lag noch keine zwei Tage drüben auf der
Allgemeinen, als mich abends ein Mann anrief und ein Treffen mit mir
vereinbarte. Er sagte, er würde die Medien über Bodos letzte Liebesnacht
informieren, falls ich ihn versetzte. Was blieb mir also übrig? Ich habe mich
mit ihm in einer überfüllten Disco getroffen.«
»Ein idealer Treffpunkt«, warf Jacobi ein. »Wie heißt die Disco, und
wie sah der Mann aus?«
»Es war das ›Drop in‹ in Glasenbach. Der Mann war etwa dreißig,
groß, blond, sportlich, trug schwarze Jeans und eine schwarze Lederjacke. Er
redete nicht lange um den heißen Brei herum, sondern verlangte von mir,
Grabowsky eine Überdosis Schlafmittel zu verabreichen. Dieser Aidsler , wie er sich ausdrückte, habe eh nicht mehr lang zu
leben, sei aber eine wandelnde Zeitbombe und könne zu viel Unheil anrichten.
Dann bot mir der Kerl Blutgeld an: dreißigtausend Dollar. Außerdem hatte er die
Frechheit zu sagen, er wüsste, dass ich andere Summen gewohnt sei, aber für
einen so unwichtigen Typen wie Grabowsky würde die Organisation nicht mehr
ausspucken.«
»Sie haben sich vermutlich geweigert, auf den Deal einzugehen?«
»So weit kam es gar nicht. Er hatte meine Zweifel vorausgesehen und
drohte mir an, in diesem Fall nicht nur meinen Ruf, sondern auch mich selbst zu
vernichten. Und ich sollte mich keinen Illusionen hingeben: Er würde mich
überall finden, egal, wo ich mich versteckte. Nach einigem Hin und Her gab ich zum
Schein nach, verlangte aber eine Durchführungsfrist von vier Wochen. Doch das
war dem Typen zu lang. Es war gespenstisch: Schließlich feilschten wir um die
Lebenszeit eines Menschen. Letztendlich einigten wir uns auf vierzehn Tage. Die
benötigte ich auch dringend, um mir eine Strategie zurechtzulegen. Aus
naheliegenden Gründen wollte ich die Kripo nicht sofort um Hilfe bitten.«
»Eine Zwischenfrage: Sie wissen nicht zufällig, wer Grabowsky an das
Heiligenkreuz-Spital vermittelt hat? Ein Underdog wie Grabowsky und eine
feudale Klinik wie das HKS , das passt meiner
Meinung nach irgendwie nicht zusammen. Und ja, ich weiß, die Allgemeine
Abteilung ist für jeden zugänglich«, kam er ihrem Einwand sofort zuvor.
»Trotzdem glaube ich nicht an einen Zufall. Jemand hat sich dabei etwas
gedacht.«
Sie sah ihn unergründlich an. »Kann schon sein. Kurt vermutet, die
Sökos wollten im HKS Fuß fassen, und Grabowsky,
der eh schon auf der Abschussliste stand, sollte als Versuchskaninchen
herhalten.«
»Hm.« Jacobi spielte mit dem ausgelöffelten Frühstücksei und brach
die gezackten Eischalen so weit ab, dass ein einigermaßen gleichmäßiger Rand
entstand. »Dann hätten die Sökos allen Ernstes geglaubt, an der Klinik den
geeigneten Boden für ihre Aktivitäten vorzufinden. Aber dazu müssten ihnen
einschlägige Gepflogenheiten bei der Patientenbetreuung bekannt gewesen sein.«
Sie beugte sich nach vorn und stützte die Unterarme auf den Tisch.
»Ich dachte, dieses Kapitel hätten wir abgehakt? Noch einmal: Meine Kolleginnen
und ich hätten unseren Patienten nie und nimmer etwas angetan. Das widerspräche
doch jeder Logik. Oder um es in Ihrem Jargon zu sagen: Auf diese Weise hätten
wir der Gans, die die goldenen Eier legt, den Hals umgedreht.«
»Klingt logisch«, räumte er ein. »Aber könnten nicht doch Gerüchte
nach außen gedrungen sein? Vielleicht haben die Sökos ja eine ihrer Kolleginnen
kontaktiert, etwa Sandra Hasenkopf?«
»Möglich, aber nicht
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