Herbstfrost
quellen, riss den
Feuerlöscher von der Flurwand und stürzte ins Schlafzimmer. Fast ebenso schnell
hatte er die ersten aufzüngelnden Flammen mit Löschschaum erstickt.
»Er war platt, als er den Feuerlöscher an seinen Platz
zurückhängte«, beendete Weider den Bericht, »und Conte und seinen Fotografen in
der offenen Wohnungstür stehen sah. Nur die Attentäter selbst konnten ihm den
Tipp gegeben haben. Wie sonst hätte Conte Minuten nach der Explosion an Ort und
Stelle sein können?«
Jacobi nickte. »Er hat mir gesagt, er habe einen Anruf erhalten.
Höchst eigenartig – wie schon bei Schremmer. Nachdem die Sökos sich jahrelang
lautlos wie Schleichkatzen an ihre Opfer herangemacht haben, scheinen sie jetzt
auf Publicity geradezu erpicht zu sein.«
Gemeinsam saßen sie im Herrenzimmer. Abgesehen von ein paar kaputten
Glühbirnen im Kronleuchter hatte die Explosion hier keine sichtbaren Spuren
hinterlassen. Kotek war einige Minuten früher eingetroffen, hatte Kaffee
gemacht und schenkte nun ein.
»Apropos Sökos«, knüpfte Jacobi an, »die Angaben von Jutta Dietrich
über ihr Treffen mit dem Kontaktmann im ›Drop in‹ müssen noch heute überprüft
werden. Und ja, ich weiß, ihr hättet das längst erledigt, wenn man es euch
nicht verboten hätte«, kam er der Rechtfertigung Weiders zuvor. »Ist ja kein
Beinbruch. Mach ich’s eben später selbst. Wie wär’s? Fährst du mit mir?«
Die Frage galt Kotek. Sie schüttelte den Kopf. »Geht leider nicht.
Bin schon mit Leo Piritz verabredet.«
»Leo Piritz?« Jacobi verspürte einen kleinen Stich. Eine Melanie,
die sich zwanglos mit anderen Männern verabredete, war eine ganz neue
Erfahrung. Taten sich da gewöhnungsbedürftige Perspektiven auf?
»Er ist Doktor der technischen Wissenschaften und der reiche
Schnösel, der Melanie in den ›Paris-Lodron-Golfclub‹ mitgenommen hat«, half
Weider ihm auf die Sprünge.
»Ach, stimmt ja. Wolltest du mir heute Mittag am Telefon nicht einen
der Hauptsponsoren des Clubs verraten.«
»Na, dreimal darfst du raten.«
»Die ANUBIS Insurance Company?«
»Der Kandidat hat neunundneunzig Punkte. In diesem Club verkehren
die Bosse der Bosse. Industrie-, Energie- und Kommunikationsmagnaten und ihre
Trabanten. Und jetzt darfst du noch einmal raten, wie Schremmer da reingekommen
ist.«
»Ich nehme an, er hat sich an die Ehefrau oder Mätresse irgendeines
Oberfuzzis rangemacht. Bis vor Kurzem konnte er sich im Auge des Taifuns ja
verhältnismäßig sicher fühlen. Ein Gigolo wird außerhalb seiner Disziplin
selten ernst genommen.«
»Genau so hat es sich abgespielt«, bestätigte Kotek. »Er hat sich an
Gudrun Sorge rangemacht, die Gattin eines AIC -Direktors.
Eines muss man Schremmer lassen: Er ist wirklich ein Mann, der Frauen schwach
werden lässt.«
»Das sagtest du bereits. Neigst du jetzt zu Wiederholungen, oder
was?« Jacobis pingeliger Einwurf fiel nicht nur Kotek auf. Auch Weider begriff.
Nicht Schremmer war die Laus, die Jacobi über die Leber lief, sondern der ihm
unbekannte Piritz. Die Frage, die folgte, bestätigte seine Vermutung.
»Wer ist dieser Piritz eigentlich? Gehört er auch zur AIC ?«
»Nein, Leo ist Vizepräsident der OSTBAU .
Von der hast du sicher schon gehört. Ein deutsch-österreichischer Baukonzern
mit Firmenzentralen in Luxemburg, Liechtenstein und der Schweiz. Steckt
ziemlich viel russisches Geld drin.«
»Da schau her! Und per Du bist du mit Piritz auch schon?«
»Ist das für unsere Ermittlungen von Bedeutung?«, konterte sie kühl.
Sie hatte ihm ihrerseits den nächtlichen Ausflug ins Seidlwinkltal auch noch
nicht verziehen.
»Das kann man im Voraus nie wissen«, versuchte Jacobi den privaten
Exkurs zu beenden, aber sie wiegte verneinend den Kopf.
»Leo Piritz gehört nicht zu unsrer Zielgruppe. Er ist zwar mit den AIC -Managern befreundet, hat aber mit dem Unternehmen
an sich nichts zu tun. Die Freundschaft hat einen privaten Hintergrund. Er ist
mit Phryne Rottenstein liiert, der Tochter von AIC -Generaldirektor
Julius Rottenstein. Im Moment scheint es in der Beziehung allerdings zu
kriseln.«
Rottenstein! Jacobi war es, als würde ihm jemand einen Eiszapfen
über den Rücken ziehen. Plötzlich wusste er, woher er den Firmennamen ANUBIS AG kannte.
»Und deshalb hat er sich an dich rangemacht?«, fragte Weider
krampfhaft witzig. Auch ihm war der Name Rottenstein nicht unbekannt.
Die ahnungslose Melanie blieb friedlich. »Er hat sich überhaupt
nicht an mich rangemacht. Ich
Weitere Kostenlose Bücher