Herbstfrost
ungeduldiger. Das Katz-und-Maus-Spiel des Freundes ging
ihm schwer auf den Geist.
Prompt fragte Weider: »Du meinst, durch Zugriff auf die Daten der
Gesellschaft?«
»Natürlich! Und red nicht immer von der
Gesellschaft !«, pfiff Jacobi ihn verärgert an. »Raus mit der Sprache!
Wie heißt die Versicherung?«
Inzwischen hatten sie im Schritttempo die Bürglsteinstraße erreicht,
standen aber nun wieder. Weider grinste wie ein beim Naschen ertapptes Kind,
beeilte sich aber, der Aufforderung Folge zu leisten.
»Wir reden von der AIC , der › ANUBIS Insurance Company‹. Wurde bald nach dem Krieg in
München gegründet und hieß ursprünglich ›Assekuranz Nussbaum & Bistrovic‹,
benannt nach ihren Gründervätern Benno Nussbaum und Joachim Bistrovic. Später
wurde das sperrige Firmenlogo zum Kürzel › ANUBIS ‹
verdichtet. Die Versicherung expandierte in der Wirtschaftswunderära und kaufte
sich in andere Sparten ein. Heute ist die ANUBIS AG ein Firmenkonglomerat mit Niederlassungen auf der
ganzen Welt. Die österreichische Zweigstelle der AIC feiert übrigens in zwei Tagen ihr fünfzigjähriges Jubiläum.«
Den letzten Satz hatte Jacobi nicht mehr gehört. »Anubis? Sagtest du Anubis ?«
»Ja, mindestens drei Mal schon. ANUBIS Insurance Company.«
»Anubis, der Totengott«, flüsterte Jacobi, um dann sukzessiv lauter
zu werden. »Der ägyptische Totengott! Die Firma, die
mit dem alten Ägypten zu tun hat! Die Anstecknadel, das geheime
Erkennungszeichen der Sökos, symbolisiert keinen Hundekopf, wie Schremmer mir
einzureden versucht hat, sondern den Kopf eines Schakals. Und wer wurde im
alten Ägypten mit einem Schakalkopf dargestellt? Anubis!« Er packte Weider an
der Schulter. »Wir haben sie, Hans! Wir haben sie!« Er war so fasziniert von
dem Gedanken, dass er einen anderen dabei verdrängte: dass ihm der Firmenname ANUBIS AG nicht
unbekannt war.
Weider schüttelte seine Hand ab. »Komm wieder runter, Oskar. Wir
haben einen Namen, sonst nichts. Außerdem: Welcher Richter wird uns jetzt noch
den Zugriff auf ihre Datenbanken ermöglichen, he? Wir sind draußen ,
Oskar! Hast du das schon vergessen?« Es klang so, als sei er nicht unglücklich
darüber.
Weider war ein Mensch mit vielen guten Eigenschaften. Mut gehörte nicht
unbedingt dazu. Wie so viele Österreicher litt er an einer guten Portion
Autoritätsgläubigkeit. So loyal er Jacobi gegenüber auch war, so schwer tat er
sich, Anordnungen von oben großzügig auszulegen oder gar zu ignorieren. Wenn
überhaupt, dann brauchte er dazu die moralische Unterstützung seines Freundes,
den er um seine Zivilcourage beneidete. Für Jacobi bedeutete draußen zu sein
noch lange nicht das Gleiche wie für ihn, das wusste Weider. Aber er wollte es
von ihm hören.
»Quatsch, wir sind noch lang nicht draußen«, kam es prompt retour.
»Und keine Angst, wir gehen schon nicht mit der Brechstange vor. Schließlich
wollen wir die Sökos ja nicht mutwillig vergraulen. Aber ein bisschen Druck
kann nicht schaden. Druck nach mehreren Seiten. Dafür werden wir Conte von der
Leine lassen. Zunächst teilen wir ihm mit, dass Waschhüttl mich beurlaubt hat –
trotz des Mordes an Grabowsky, der Anschläge auf Schremmer und mich, und obwohl
sich der Fall Cermak auszuweiten beginnt.«
Weider grinste ermutigt. »Da wird’s im Salzburger Blätterwald aber
mächtig rauschen.«
Jacobi gab Contes Nummer ins Autotelefon ein. Der »K. u.
K.«-Kolumnist nahm den Anruf sofort entgegen. Jacobi erzählte ihm gerade so
viel, wie er wissen durfte, doch das war dem Zeitungsmann zu wenig. Erfahrung
und Instinkt sagten ihm, dass da etwas Größeres im Busch war.
»Erst aufgeilen und dann Hose wieder raufziehen«, brummte er
missmutig. »Was glaubt ihr eigentlich, wen ihr vor euch habt? Einen Rotzbuben,
den man mit ein paar unscharfen Aktfotos abspeisen kann? Entweder fängst du
jetzt an zu klotzen, oder du kannst dir deinen Artikel sonst wohin stecken.«
»Mann, bist du heute wieder charmant!«
»Soll ich deinetwegen Rilke deklamieren? Also, wie steht’s, Oskar?
Wenigstens ein konkreter Hinweis, ein Name! Zeit ist Geld, und die Leute wollen
zum Frühstück was Handfestes lesen, kein Vielleicht und Möglicherweise !«
Mit seiner krachledernen Masche hatte Conte sehr oft Erfolg. Bei
besonders knauserigen Informanten probierte er es dagegen mit Geld oder
Einschüchterung.
»Ignaz, ich hab dir ohnehin schon mehr gesagt, als ich eigentlich
darf«, versuchte Jacobi ihn zu
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