Herbstfrost
andere Affären, aber davon hat keine so lang gedauert
wie die mit unserm Sohn. Lysander wusste natürlich Bescheid. Sie können sich
bestimmt vorstellen, wie unangenehm diese Liaison für Theo und mich war.
Besonders für Theo, der jeden Tag mit Lysander zu tun hatte. Und der entblödete
sich nicht, von ihm zu verlangen, er solle Paul gefälligst von Gudrun
fernhalten.«
»Ich nehme an, die Liaison ging zu Ende, lange bevor Sie in der
bewussten Angelegenheit Verdacht schöpften?«, wandte sich Jacobi wieder an Theo
Basidius.
»Ja, etliche Monate vorher«, sagte dieser rasch. »Vor ungefähr zwei
Jahren, von heute an gerechnet. Paul lernte dann diese reizende Journalistin
kennen, Ruth Maybaum. Na ja, sie ist Jüdin, aber sonst eine ausgesprochen …
nette Person.«
Jacobi blickte konzentriert auf seine Armbanduhr. Cynthia Basidius
hatte ihrem unsensiblen Theo einen kräftigen Rippenstoß versetzt.
»Mein Mann neigt dazu, unangenehme Dinge zu beschönigen«, sagte sie
durch seine Entgleisung genervt. »Andererseits lässt er kein Fettnäpfchen aus,
das sich zum Hineintreten eignet, wie Sie eben gemerkt haben. Es war so: Gudrun
hatte Paul den Laufpass gegeben. Nicht etwa auf Druck von Lysander, sondern
weil ihr ein anderer Galan besser gefiel. Sie braucht ständig den Reiz des Neuen.
Selbst als sie mit Paul noch zusammen war, hatte sie nebenher ihre
One-Night-Stands, so nennt man das ja heute. Den endgültigen Schluss ihrer
Affäre konnte Paul lange nicht verkraften. Immer wieder versuchte er sie
zurückzugewinnen. Sogar bei öffentlichen Anlässen. Nicht nur Parteifreunde,
auch die Medien wurden schon auf sein Verhalten aufmerksam. Erst nach einem
ordentlichen Rüffel des Parteivorsitzenden schickte Paul sich ins
Unvermeidliche.«
»Ich verstehe«, kam Jacobi zum Wesentlichen. »Ihr Sohn schreckte
also davor zurück, als Aufdecker gegen die AIC anzutreten. Glaubte, man könnte ihm das als billige Retourkutsche gegen Gudrun
Sorge auslegen.«
Sie nickte. »Ich hätte es nicht pointierter ausdrücken können.«
»Immerhin hat er Kurt Schremmer auf die AIC aufmerksam gemacht«, versuchte Theo Basidius seinen Sohn in Schutz zu nehmen.
Ja, um sich und euch aus der Schusslinie zu nehmen, dachte Jacobi.
Laut sagte er: »Schremmer ist ein Kapitel für sich. Wäre er etwas weniger
egozentrisch und eigenbrötlerisch, dann könnte der Fall längst gelöst sein.
Herr Basidius, nachdem Sie diesen grauenvollen Machenschaften auf die Spur
gekommen waren, mussten Sie sich nicht zwangsläufig fragen, wer dafür
verantwortlich war?«
Basidius nickte. »Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht.
Aber die Symptome zu entdecken, das ist eine Sache, dem Initiator auf die
Schliche zu kommen, eine ganz andere. Es gibt nichts konkret Schriftliches, das
man mit der AIC oder gar mit einer Person in
Verbindung bringen könnte. Einziges Indiz sind die gehäuft auftretenden
Zufälligkeiten.«
»Sie schließen also aus, dass es möglicherweise einen getarnten
Fonds gibt, über den Zahlungen auf fingierte AIC -Kundenkonten
stattfinden?«
»Das habe ich nicht gesagt, Jacobi. Sehen Sie, ich bin Buchhalter,
kein Hacker oder Steuerfahnder, der sämtliche Tricks kennt. Aber um mir
vorzustellen, dass in einer so großen Firma wie der AIC jeder beliebige Fonds irgendwo verschlüsselt geparkt werden kann, dazu reicht
meine Phantasie allemal. Er müsste ja nicht einmal verschlüsselt sein, könnte
ebenso gut als einer der vielen Ausgleichsfonds offen zutage liegen. Vielleicht
bin ich selbst schon alle nasenlang darüber gestolpert, ohne auch nur was zu
ahnen. Die Frage wird wohl erst nach einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss
beantwortet werden.«
Jacobi nickte. »Darauf wird es hinauslaufen.« Er verzichtete darauf,
zu erwähnen, dass er die unterzeichnete Verfügung bereits in der Tasche hatte.
»Zum Schluss noch eine unprofessionelle Frage: Wem von den AIC -Führungskräften würden Sie es am ehesten zutrauen,
mit einer Killer-GesmbH zusammenzuarbeiten?«
»Herr Hauptmann«, entrüstete sich Basidius, »ich kann doch nicht aus
dem Bauch heraus jemanden verdächtigen und an den Pranger stellen.«
»Spiel dich nicht als edler Ritter auf, Theo«, sagte seine Frau
prosaisch. »Phryne hat zwei Jahre lang darauf gedrängt, dich in Pension zu
schicken. Und denk an all die drakonischen Rationalisierungsmaßnahmen, die sie
im Vorstand durchgedrückt hat. Sie ist eiskalt, geht über Leichen, wenn sie’s
für nötig hält. Und seit dem
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