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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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»Natürlich
ist mir aufgefallen, dass mehr Kundenschicksale als früher für uns positiv zu
Buche schlugen. Statistische Ausreißer eben. Aber nie, wirklich nie wäre mir
dabei der Gedanke an einen kriminellen Hintergrund gekommen.«
    »Sie hatten also keine Ahnung. Sollen wir das so stehen lassen?«
    Sorge antwortete mit gewisser Verzögerung. »Ob Sie’s glauben oder
nicht: Ich hatte wirklich keine Ahnung. Als Phryne mich gestern Abend anrief
und mich über diese unsäglichen Sökos unterrichtete, traf mich fast der
Schlag.« Er hielt einen Moment lang inne.
    »Trotz des Schocks«, setzte er fort, »fiel mir unmittelbar nach dem
Gespräch mit ihr ein anderes Telefongespräch ein, das ich vergangenes Frühjahr
zufällig mitangehört hatte. Damals konnte ich mir freilich noch keinen Reim
drauf machen.«
    Brachte ein Zeuge bei der Einvernahme zufällig mitgehörte
Telefongespräche ins Spiel, begannen bei Jacobi stets die Alarmglocken zu
schrillen. Seine Miene blieb dennoch ausdruckslos, als er fragte: »Und jetzt
können Sie sich einen Reim drauf machen?«
    »Ich weiß nicht, ob tatsächlich etwas dahintersteckt«, zierte sich
Sorge, »jedenfalls war es ein seltsames Gespräch. Ich weiß sogar noch das
Datum: Es war der Abend des 23. April. Wie so oft hatte ich erst um
zweiundzwanzig Uhr Schluss gemacht, das Büro abgeschlossen und befand mich auf
dem Weg zum Aufzug. Als ich an Nilsons Büro vorbeiging, sah ich die Tür einen
Spaltbreit offen stehen und hörte ihn reden. Um diese Zeit noch! Das allein war
schon auffällig. Normalerweise ist Siegi um Punkt siebzehn Uhr nur noch eine
Wolke. Er telefonierte laut und erregt mit irgendjemandem. Wahrscheinlich mit
irgendeiner Schnalle, das war jedenfalls mein erster Gedanke. Er sagte: ›… war
so auffällig, wie ihr es in Mauterndorf gemacht habt.‹ Dann nannte er den
Gesprächspartner einen erbärmlichen Pfuscher und fügte hinzu: ›Euer Glück, dass
die Bullen Tomaten auf den Augen haben!‹ Mehr konnte ich nicht verstehen, denn
inzwischen war ich weitergegangen und beim Lift angelangt.«
    »Tja, das klingt freilich verdächtig«, räumte Jacobi ein. »Die
Bemerkung über die Polizei könnte sich aber auch auf einen
versicherungspflichtigen Verkehrsunfall bezogen haben. Hat Nilson Sie denn
bemerkt?«
    Sorge zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Der Filzboden im
Flur schluckt jeden Schritt, allerdings muss er die Lifttüren gehört haben.
Gesehen hat er mich nicht.«
    »Wir werden ihn auf alle Fälle zu diesem Telefonat befragen.«
    Sorge neigte sich vor und stützte die übereinandergelegten Unterarme
auf dem Tisch auf.
    »Hören Sie, Jacobi! Mir ist durchaus klar, dass ich einer der
Hauptverdächtigen bin. Schließlich leite ich die AIC seit fünf Jahren fast im Alleingang. Rottenstein ist physisch und psychisch am
Ende. Ein solches Wrack soll Kopf einer Killergang sein? Schwer vorstellbar,
obwohl er hie und da auch lichte Momente hat. Und Phryne? Sie ist ehrgeizig und
wird einmal eine tüchtige Generaldirektorin abgeben. Aber so ehrgeizig, dass
sie ihre Existenz auf Gedeih und Verderb mit dem Unternehmen verknüpft, ist sie
wiederum auch nicht. Basidius scheidet Ende des Monats aus der Firma aus. Hat
seine Schäfchen längst ins Trockene gebracht. Und irgendein kleiner
Abteilungsleiter, der der AIC auf diese makabre
Weise zuarbeitet? Warum sollte ein Nobody das tun? Bleiben also nur ich –«
    »– und Nilson«, ergänzte Jacobi.
    »Ja, Nilson. Da ich weiß, dass ich nicht der Gesuchte bin, kann es meines Erachtens nur Nilson sein. Habe ihn eigentlich
immer für einen Blender gehalten, für einen typischen Playboy mit Pappfassade
und nichts dahinter. Abgesehen davon, dass er sich gern in halbseidenen Milieus
bewegt und die Firma schröpft, wo er nur kann, hätte ich ihm so harte Bandagen
allerdings bisher auch nicht zugetraut. Aber man kann sich eben in jedem
täuschen –«
    »Weil Sie gerade von täuschen reden: Was ist mit Dr. Vogt?«,
unterbrach Jacobi neuerlich. »Schon dem jungen SS -Offizier
Vogt hat man knifflige logistische Aufgaben übertragen, und je näher das
Kriegsende rückte, umso heikler wurden diese. Steht jedenfalls so in seiner
Akte. Zwanzig Jahre später war er Sicherheitsdirektor des LGK Salzburg und als solcher in den Achtzigern auch
mein Chef. Ich weiß also, was er drauf hat.«
    »Genauso wie ich. Außerdem kenne ich seine Kriegsvergangenheit«,
sagte Sorge. »Bernds Schwiegersohn redet zu viel, wenn er besoffen ist. Und

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