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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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von Kastner, dem General des Gladius Dei, die Infos
bekommen hatte. Einen Mann wie Kastner zum Feind zu haben, war bestimmt kein
Honiglecken – für wen auch immer. Die SOKO OGAS war nun Kandutsch direkt unterstellt. Eine schwere Demütigung für Waschhüttl,
aber die Weisung Birnbaums bedeutete nichts anderes, als dass er, Jacobi, im
Rahmen der vereinbarten Diskretion jetzt völlig freie Hand hatte.
    »Trotzdem würden Melanie Kotek, Lenz und ich gern als Security-Leute
auf eurer Jubiläumsparty auftauchen«, erinnerte er Vogt.
    »Könnt ihr ja, aber ohne mit mir Katz und Maus zu spielen. Ich bin
nämlich die falsche Maus.«
    »Du hast es grad nötig, den Beleidigten zu spielen. Was sollte ich
da sagen? Das ganze Theater dient doch eh nur dazu, mit den AIC -Direktoren reden zu können, ohne großes Aufsehen zu
erregen. Das ist das Einzige, was du mir ermöglichen sollst. Aber ich kann
Phryne auch ins Präsidium bestellen, wenn dir das lieber ist.«
    Für einen Moment hoben sich die schweren Lider Vogts und die hellen
grauen Augen blitzten, doch eine Sekunde später war sein Blick wieder verhangen
wie immer.
    »Ich hab eure Legitimationen schon ausgestellt. Sie liegen drinnen
am Schreibtisch.«
    »Danke. Und jetzt erzähl mir mehr von Sorge. Wie ist er so privat?
Dass ihm seine Frau unentwegt Hörner aufsetzt, weiß ich schon.«
    Vogt zuckte mit den Schultern. »Tja, ein Macho scheint er
tatsächlich nicht zu sein, sonst würde er sich das nicht jahrelang bieten
lassen. Aber er liebt sie eben, sagt man, und duldet ihre Eskapaden. Er ist
achtundfünfzig, sie mehr als zwanzig Jahre jünger und attraktiv – seine
Traumfrau. Aber sie wird mit dem Nichtstun nicht fertig. Stürzt sich von einem
Abenteuer ins nächste.«
    »Kein Macho also«, rekapitulierte Jacobi. »Na ja, die Softies sind
manchmal auch nicht ohne.«
    »Sorge ist schwer einzuschätzen. Zurückhaltend und distinguiert, ein
Mann mit Kultur. Der Beruf ist sein Lebensinhalt. Die wenige Freizeit verbringt
er mit Fliegen und Ethnologie. Fast alle seine Urlaubsreisen sind auf seine
Hobbys ausgerichtet.«
    »Er fliegt allein auf Urlaub?«, fragte Jacobi ahnungsvoll.
    »Meistens, und dann treibt’s Gudrun noch ärger als sonst schon. Aber
er verzeiht ihr alles, solange sie nur bei ihm bleibt.«
    »Was ist mit Nilson?«
    »Glücksspiel, Frauen, Autos. Ihm würde ich jederzeit eine
Unterschlagung zutrauen. Aber dass er ein Söko ist – nein, das passt nicht zu
ihm. Dazu fehlt ihm die nötige Härte und Kompromisslosigkeit.«
    Die du zweifellos hast, dachte Jacobi, sagte aber: »Glücksspiel,
Frauen und Autos – soso. Hat er Schulden?«
    »Wie ein Stabsoffizier. Adelheid, seine dritte Frau, ist
drogenabhängig. Kokain. Mein Schwiegersohn behauptet, Nilson habe sie süchtig
gemacht, um ungestörter sein eigenes Leben leben zu können.«
    »Ein Gustostückerl für Erpresser also?«
    »Möglich. Aber auch bei Nilson bist du wahrscheinlich auf dem
Holzweg.«
    »Wie bei dir?«
    »Wie bei mir.« Diesmal hielt Vogt seinem Blick stand und fuhr
gelassen fort: »Nilson hätte die Firma durch Unterschlagung längst um Millionen
geschädigt, hätte er nicht Angst vor Sorge.«
    »Nilson hat Angst vor ihm? Heißt das, Sorge ist im Geschäftsleben
kompromissloser als in seiner Ehe?«
    »Sorge ist nicht der Hai, der über Leichen geht, falls du das
meinst. Aber er ist, wie gesagt, sehr korrekt. Ihm entgeht in der Firma kaum
etwas.«
    »Kann man sagen, dass er sich für die AIC zerreißen würde?«
    »Das kann man sagen.« Jetzt erst bemerkte Vogt die Ironie. »Ja, ich
gebe zu, für mich kommt – wenn überhaupt – nur Sorge in Frage. Ich sehe weit
und breit keinen anderen, der deinem Täterprofil entspräche.«
    Jacobi verkniff sich die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, und
verzichtete auch darauf, nach Phryne zu fragen. Vogt hätte seine einzige
Enkelin niemals ausgeliefert, erst recht nicht, wenn er als ihr verlängerter
Arm die Sökos-Organisation mitaufgebaut hatte.

ZEHN
    Kurz vor vierundzwanzig Uhr am nächsten Tag war der
Festsaal des Palais Auerspach nicht mehr so brechend voll wie noch zu Beginn
der Jubiläumsfeier. Die Big Band pausierte vor ihrer Mitternachtseinlage
erstmals an dem Abend etwas länger, und viele Gäste waren in die angrenzenden
Räumlichkeiten abgewandert. Der offizielle Teil, Ansprachen und Ehrungen
verdienter Mitarbeiter, die das Bild eines gesunden Unternehmens vermittelt
hatten, waren längst zu Ende. Keinem Außenstehenden wäre in den Sinn

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