Herbstfrost
Beinahe-Crash, den ihr Vater vor fünf Jahren
verschuldet hat, hat die AIC jede Finanzspritze
bitter nötig.«
»Gut, sie wollte meinen Posten wegrationalisieren, aber deshalb muss
sie doch noch lange nichts mit diesen … diesen Sökos zu tun haben.«
»Wann haben Sie die Bezeichnung der Gruppe eigentlich zum ersten Mal
gehört?«, fragte Jacobi beiläufig und sah dabei wieder auf seine Uhr.
»Erst vor wenigen Tagen. Paul hat sie verwendet. Er hatte sie von
Schremmer.«
»Und? Halten Sie Phryne Rottenstein nun für fähig, die Initiatorin
der Sökos zu sein oder nicht?«
»Das tut er, Hauptmann Jacobi«, sagte Cynthia Basidius, »nur würde
er es nie laut sagen. Deine Solidaritätsattitüde ist wirklich lächerlich, Theo.
Phryne und ihr Großvater Bernd Vogt würden dich jederzeit in die Pfanne hauen.
Ein verschworenes Gespann, die beiden! Fürchten weder Tod noch Teufel. Phryne
mit ihrer messerscharfen Intelligenz und Bernd, der alte Fuchs, mit seiner
Erfahrung. Würde mich übrigens nicht wundern, wenn Bernd zwei Räume weiter
unser Gespräch mithört.«
»Der Raum ist nicht verwanzt«, beruhigte Jacobi sie. »Ich habe ihn
vorher überprüfen lassen, und Vogt ist unten im Festsaal, wo er beobachtet
wird, während wir hier miteinander reden. Frau Basidius, da Ihrem Mann sein
Ehrgefühl im Weg ist, frage ich wohl besser Sie nach Lysander Sorge. Trauen Sie ihm zu, der Sökos-Führer zu sein?«
Sie lachte schrill. »Lysander? Der ist doch nicht einmal in der
Lage, seine Gudrun zu kontrollieren. Sicher, er zerreißt sich für die Firma,
das kann selbst sein ärgster Feind nicht leugnen, aber Lysander und die Sökos …?« Wieder übermannte sie die Heiterkeit. »Also nein, das ist zu komisch.
Verzeihen Sie! Ich weiß, die Angelegenheit ist nicht zum Lachen.«
»Kein Problem, Frau Basidius. Was ist mit Nilson?«
»Dem traue ich so etwas schon eher zu. Er ist gewissenlos und
amoralisch. Ein Bonvivant und Ladykiller. Leicht vorstellbar, dass er nicht nur
junge Frauen killt, um seinen Lebensstandard zu halten. Außerdem bekommt er bei
seinem Lebenswandel und seinen Schulden nirgendwo anders einen adäquaten Job,
sollte die AIC demnächst ein Übernahmekandidat
werden.«
»Cynthia!« Theo Basidius wurde krebsrot im Gesicht. »Das sind
Insiderinfos! Du hast kein Recht, so etwas –«
»Beruhigen Sie sich, Herr Basidius!« Jacobi legte dem Exdirektor die
Hand auf den Arm. »Ich bin kein Spekulant. Und ich darf die Informationen, die
ich im Zuge einer Vernehmung erhalte, auch nicht weitergeben. Frau Cynthia, ich
darf Sie doch so nennen, oder?«
»Aber gern, Hauptmann Jacobi.« Cynthia Basidius errötete leicht.
»Danke. Nilson steht also das Wasser bis zum Hals, und er würde
alles tun, was man von ihm verlangt. Hauptsache, er behält seinen Posten als AIC -Direktor. Soweit richtig?«
»Wie immer haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen.«
»Und was ist mit Rottenstein? Schließlich hat er die Firma fast an
die Wand gefahren.«
»Sie meinen, er könnte in seiner Verzweiflung auf eine so irre Idee …? Also, nein, das passt wirklich nicht zu ihm. Julius war immer ein Mann, der
mit offenem Visier kämpfte. Gewiss hat er seine Fehler, vor allem säuft er zu
viel, aber ein ›Mister Hyde‹ ist er sicher nicht.«
»Okay. Haben Sie beide mir noch irgendwas zu sagen, das bisher nicht
zur Sprache gekommen ist? Etwas, das Ihnen vielleicht nicht wichtig genug
erschien? Glauben Sie mir, jede Nebensächlichkeit kann von entscheidender
Bedeutung sein.«
Theo Basidius schüttelte den Kopf. »Nein, alles, was ich mit dieser
furchtbaren Sache in Verbindung bringen könnte, habe ich gesagt.«
Davon war Jacobi zwar nicht restlos überzeugt, antwortete aber
trotzdem: »Danke, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Sie können jetzt
gehen.«
In Anbetracht der Umstände verzichtete er darauf, ihnen noch viel
Vergnügen für den Rest der Nacht zu wünschen. Eilig zog das Ehepaar ab.
Er löschte das Licht, öffnete ein Fenster und schaute durch sein
Taschennachtglas in den Garten hinunter. An der halbkreisförmigen und mit
Lampions verzierten Poolbar hatten sich mittlerweile viele Leute eingefunden,
als Champagnerkorken knallten. Am rechten, dem Pool zugewandten Ende der Bar
stand Julius Rottenstein, gestützt wurde er von fürsorglichen Hostessen. Er
hatte für die Mädchen Dom Pérignon auffahren lassen. Sein vom Alkohol
gezeichnetes Gesicht war schweißbedeckt, der glasige Blick sprach Bände. Vogts
Schwiegersohn war in
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