Herbstfrost
bestimmt von ihrem Arm.
»Ruth kann nichts dafür«, glaubte Basidius, die Freundin verteidigen
zu müssen. »Ich habe sie zur Diskretion vergattert.«
»Um Ihren Vater so lang wie möglich aus allem rauszuhalten, ich
weiß. Aber diskret waren Sie nur uns gegenüber. Schremmer haben Sie sehr wohl
ins Vertrauen gezogen.«
»Kurt war eh schon an der Sache dran«, sagte Maybaum patzig. »Als
wir ihm vor einigen Wochen von Theos Verdacht erzählten, wusste er bereits
Bescheid. Jemand hatte ihm kurz zuvor den entscheidenden Tipp gegeben –
telefonisch und anonym. Das ist aber nun wirklich alles, was wir Ihnen dazu
sagen können. Mehr wissen auch wir nicht.«
»Zu gütig von Ihnen, vielen Dank auch im Namen aller betroffenen
Senioren.«
Ihre Miene verfinsterte sich. »Sie brauchen mir gar nicht so pampig
daherzukommen! Wo wären Sie denn, wenn wir Ihnen nicht auf die Sprünge geholfen
hätten? Sie ernten jetzt Lorbeeren, für die Sie
nichts getan haben, während unsre Doku unter diesen Umständen nur mehr einen
Bruchteil des ursprünglichen Werts lukrieren wird.«
Jacobi ersparte sich eine Antwort und ließ Ruth Maybaum einfach
stehen. Die früher so bewunderte Topjournalistin hatte jeden Kredit bei ihm
verspielt.
Rottenstein und seine Hostessen waren merklich leiser geworden.
Phryne und Piritz plauderten am gegenüberliegenden Ende der Poolbar, während
Schremmer noch immer von Damen unterschiedlichsten Alters umlagert wurde.
Melanie stand auf dem von Redl geerbten Beobachtungsposten an der Verandatür
und hatte schon wieder die Jünglinge von vor einer Stunde an der Backe. Vogt
saß mit ein paar gleichaltrigen Kapazundern am Honoratiorentisch im Festsaal.
Zwei Tische neben ihm zankte sich Sorge nicht gerade dezent mit seiner Frau,
einer attraktiven Blondine um die dreißig.
Nur Nilson blieb nach wie vor verschwunden. Er schien sich in Luft
aufgelöst zu haben. Jacobi winkte Kotek verstohlen zu und ging ins Vestibül.
Eine Minute später kam sie nach.
»Wo warst du vorhin?«, fragte er ungnädig. Mit energischem
Kopfschütteln verscheuchte er Conte, der neugierig näher gekommen war. »Und
warum konntest du am Walkie nicht reden?«
»Nilson hat mich in ein Separee im ersten Stock geschleppt. Aber
statt meiner Dessous hat er nur die Hundemarke zu sehen bekommen.« Sie grinste.
»Wie beruhigend. Und? Wie hat er sich verhalten?«
»Hat gelogen, als ich ihn fragte, ob er bereits über die Sökos
informiert worden sei. Ich hatte ja davor schon bei Vogt rückgefragt. Aber
sonst halte ich Nilson für eher unverdächtig. Seine Favoriten sind Vogt, Phryne
und – man höre und staune! – auch der alte Rottenstein. Sorge kommt für ihn
dagegen als Sökos-Chef nicht in Frage.«
»Wann habt ihr das Separee verlassen?«
»Ich bin vor ihm gegangen. Vor etwa einer Viertelstunde.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Frag mich was Leichteres. Aber willst du gar nicht wissen, warum
ich ihn für unverdächtig halte?«
»Weil er dich angemacht hat? Das Verhalten könnte auch in die
Kategorie ›Tarnen und Täuschen‹ fallen.«
»Quatsch, er war geil wie ein Zuchtrammler. Das vorzuspielen, das
gelingt vielleicht einer Frau, aber nie und nimmer einem Mann.«
»So nahe war er dir schon?«
»Oskar! Um das festzustellen, genügen meine Augen. Er war drauf und
dran, es mir zu besorgen, aber genau das hätte der Alpha-Wolf an einem
Weltuntergangstag wie heute unmöglich gebracht.«
Jacobi schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gesagt. Potenz ist nicht
zufällig ein Synonym für Macht. Der Sökos-Führer muss ein Irrer sein. Und ein
starkes Überlegenheitsgefühl anderen gegenüber ist oft symptomatisch für eine
multiple Persönlichkeit. Es kann auch dann dominant bleiben, wenn sich der
Betreffende bedrängt fühlt.«
Kotek grinste breit. »Und Nilson konnte einen Ständer wie ein
Nussknacker haben, obwohl oder gerade weil er der Sökos-Chef ist?«
Irritiert durch ihren Unernst zuckte Jacobi mit den Achseln.
»Anstatt rumzuflachsen, sollten wir lieber nach ihm suchen.«
Im Separee war er nicht. Auch nicht in dem daneben. Jacobi und Kotek
durchkämmten sämtliche in Frage kommenden Räumlichkeiten. Auf einer Toilette in
den oberen Stockwerken fanden sie immerhin seine Frau im Clinch mit einem
Jüngling, Nilson selbst aber blieb verschwunden. Jacobi nahm Funkverbindung mit
Redl auf.
»Haben deine Leute in der letzten halben Stunde Nilson irgendwo
rauskommen sehen?«
»Nein. Das wäre mir gemeldet worden. Es ist jetzt zwei Uhr
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