Herbstfrost
zur Gartenbar gingen, nahm Gudrun Sorge eben wieder
bei ihren Freundinnen Platz. Schremmer bestellte für Kotek einen Longdrink und
für Jacobi und sich je ein Pils.
»Haben Sie vor, noch länger zu bleiben?«, fragte ihn Jacobi und
beobachtete dabei Sorge, der seiner angeheiterten Frau nachgegangen war. Sein
Versuch, sie zur Heimfahrt zu bewegen, schien vorerst zu scheitern.
»Nein. Ich möchte nach Hause. Die Lust am Feiern ist mir vergangen«,
antwortete Schremmer.
»Okay. Sie werden das Palais durch den Haupteingang verlassen. Es
wäre zu gefährlich, die Seitenausgänge zu benutzen. Zwei MEK -Männer gehen vor Ihnen her und geben Ihnen Deckung.
Draußen wenden Sie sich sofort nach links und bleiben neben dem Portal hinter
der ersten Säule des Arkadengangs stehen. Warten Sie, bis die Scheinwerfer
aufflammen, die auf die gegenüberliegenden Häuser gerichtet sind. Anschließend
rennen Sie mit den Bodyguards zur Treppe am Ende des Arkadengangs. Am Fuß der
Treppe wird Ihr Flitzer mit laufendem Motor auf Sie warten.«
Schremmer sah ihn zweifelnd an. »Sie halten die Gefahr für so groß?«
Jacobi zuckte mit den Achseln. »Wie groß sie tatsächlich war, weiß
man immer erst hinterher. Geben Sie mir jetzt bitte die Autoschlüssel. Unser
Bombenspezialist wird die Viper überprüfen, wir können uns mit dem Bier also
noch Zeit lassen.«
Sein Funksprechgerät machte sich wieder bemerkbar. Weider war dran.
»Die Bankdirektion ist schon gestern Abend informiert worden, dass die
Journalistin Ruth Maybaum das Päckchen heute Nacht aus dem Schließfach holen
würde. Es waren zwei Bankbeamte und ein Wachmann anwesend, als sie vor einer
guten halben Stunde auftauchte. Sie wies sich aus, hatte den Schlüssel und gab
allen ein fürstliches Trinkgeld. Das war’s.«
»Jetzt wissen wir wenigstens, dass die Einbrecher in Maybaums
Wohnung auch Ausweispapiere gefunden haben.«
Zwei von Redls Leuten flankierten Schremmer als lebende
Schutzschilde. Sie sollten ihn bis zu seinem Haus in der Pauernfeindstraße
begleiten und dort bis auf Abruf Quartier beziehen.
Nachdem Viper und Dienstwagen losgefahren waren, untersuchte Redl
persönlich die Mauern im Arkadengang. Er hatte bemerkt, was Schremmer verborgen
geblieben war.
Zwei Einschüsse hatten faustgroße Löcher in den Verputz gerissen.
Die Suche nach dem Heckenschützen verlief negativ. Zwar ließ sich feststellen,
aus welchem Fenster im gegenüberliegenden Haus geschossen worden war und
welchen Fluchtweg der Schütze genommen hatte, doch auf der Straße verlor sich
seine Spur.
Um drei Uhr morgens bequemte sich Gudrun Sorge endlich, ihren
ungeliebten Gatten nach Hause zu begleiten. Als Minuten später auch Phryne
Rottenstein und Leo Piritz das Palais verließen, war das AIC -Event für die SOKO gelaufen.
ELF
Ein Telefon kann zum Ungeheuer werden, wenn man nur drei
Stunden geschlafen hat. Jacobi wälzte sich um die eigene Achse, kroch über eine
unwirsch quengelnde Melanie und tastete nach der Lärmquelle auf dem Nachttisch.
Während er den Anruf annahm, linste er auf das Display des Radioweckers.
»Drei viertel acht!«, raunzte er in den Hörer. »Seid ihr wahnsinnig,
mich jetzt anzurufen? Ich hab mich grad erst hingelegt, und heute ist Sonntag.
Wisst ihr eigentlich, wie viele Stunden ich in den letzten Tagen geschlafen
habe?«
»Rottenstein ist tot. Erschossen.« Weider war am Apparat. »Dem
Anschein nach Selbstmord. Seine Haushälterin hat ihn vor zwei Stunden in seinem
Arbeitszimmer gefunden und uns über Notruf benachrichtigt. Sie und die Kollegen
vom Journaldienst wurden sofort zu absoluter Diskretion vergattert. Die Medien
wissen bis jetzt noch nichts.«
Jacobi war hellwach. »Gibt’s schon eine Spur von Nilson?«
»Nein, in seinem Bootshaus am Attersee war er auch nicht.«
»Dann gebt ihn in die Fahndung. Und die Spusi soll sowohl in Nilsons
Bungalow als auch im Bootshaus noch einmal alles auf den Kopf stellen, bis sie
etwas Brauchbares findet. Von wo aus rufst du an?«
»Vom Tatort. Ich bin in der Rottenstein’schen Villa in Aigen. Die
Spusi ist mit ihrer Arbeit bald fertig, die Leiche ist schon auf dem Weg in die
Gerichtsmedizin, und ich fahr jetzt ins Büro.«
»Da wird deine Inge aber wieder stänkern. Was bist du nur für ein
Streber.«
»Sei froh, dass ich dich bis jetzt hab schlafen lassen und hör auf
zu nörgeln! Schau lieber, dass du in Schwung kommst! Melanie hab ich nicht
erreicht, aber ich nehme an, du weißt, wo sie ist. Ach ja, und noch
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