Herbstfrost
behilflich?«
Schremmer blieb die Antwort schuldig, er wollte nicht als kompletter
Idiot dastehen.
»Was ist in dem Schließfach?«, fragte Jacobi.
»Sie meinen wohl: Was war in dem
Schließfach«, verbesserte ihn Schremmer bitter.
Jacobi schüttelte den Kopf. »Übers Wochenende kommt da doch eh
niemand ran.«
Schremmer richtete den Blick verzweifelt gen Himmel. »Mann, wo leben
Sie eigentlich, Jacobi? Rottenstein, Phryne, Sorge, Nilson oder Vogt kommen zu
jeder Tages- und Nachtzeit an ein Schließfach, zu dem sie den Schlüssel haben.
Ein Anruf genügt, und der Bankdirektor wieselt nötigenfalls im Pyjama herbei.
Ich wette mit Ihnen: Die Diskette befindet sich in diesem Moment nicht mehr im
Schließfach.«
Kotek griff zum Funksprechgerät. »Hans? Check doch bitte, welche
Bankangestellten der Sparkasse Alter Markt nach Mitternacht im
Schließfach-Tresorraum waren – und mit welchem Kunden.«
»Also, Schremmer, was ist auf der Diskette gespeichert, das Sie uns
bisher vorenthalten haben?«, fragte Jacobi. Er musste seinen Zorn nicht
vortäuschen. Präpotente Schnösel wie Schremmer waren ihm zutiefst zuwider. »Und
wenn Sie noch ein einziges Mal versuchen, uns zu verarschen, dann ziehe ich den
Personenschutz ab, das garantiere ich Ihnen.«
»Ich habe doch gar keinen Grund, Sie zu verarschen«, beteuerte
Schremmer. »Ganz im Gegenteil! Ich bereue jetzt, dass ich Ihnen nicht von
Anfang an alles gesagt habe. Hab leider schon seit der Pubertät ein gestörtes
Verhältnis zur Polizei.« Er räusperte sich. »Also, auf der Diskette befinden
sich Hinweise auf die AIC , die in Ihrem Dossier
fehlen. Mehr nicht, ich schwör’s! Sollten Sie den Kopf der Sökos aus mir
rausprügeln wollen, müssen Sie mich totschlagen. Ich kenne den Alpha-Wolf
nicht.«
»Aber Sie haben einen Verdacht. Wer ist es Ihrer Meinung nach?«
»Bisher war Sorge mein Favorit, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so
sicher.«
Jacobis Funksprechgerät piepste. »Was gibt’s, Lenz?«
»Ruth Maybaum und Paul Basidius verlassen grad in großer Eile das
Palais. Maybaum hat einen Anruf erhalten, in ihre Wohnung sei eingebrochen
worden. Und Vogt will auch nach Hause. Er ist unten in der Parkgarage. Geht
eben zu seinem Mercedes G.«
»Danke. Was Neues von Nilson?«
»Nein, in seinem Bungalow haben wir ihn jedenfalls nicht
angetroffen.«
»Versuchen Sie’s lieber gleich in seinem Bootshaus in Schörfling«,
sagte Schremmer, der die Frage nach Nilson mitbekommen hatte. »Dorthin flüchtet
er, wenn er nicht erreicht werden will.«
»Hast du’s gehört, Lenz?«, fragte Jacobi.
»Hab ich, Chef. Schicke sofort jemanden zum Attersee.« Die
Funkverbindung brach ab.
»Okay, Schremmer. Da wir nun schon einmal so schön plaudern,
erzählen Sie mir doch, wie sich die Grabowsky-Geschichte wirklich abgespielt
hat.«
»So, wie Jutta Dietrich sie Ihnen erzählt hat.«
»Sie hat Ihnen also mitgeteilt, dass ich bei ihr im Jagdhaus war?«
»Mit großer Genugtuung. Sie sagte, es sei ihr scheißegal, wer die
Sökos zur Strecke brächte. Hauptsache, sie könne so bald wie möglich wieder ein
normales Leben führen. Ein Leben unter Menschen und ohne Pistole unterm
Kopfkissen.«
»Sie haben ihr angeblich geraten, Grabowsky darüber aufzuklären,
dass er unauffällig entsorgt werden sollte. Stimmt das?«
»Ja. Außerdem habe ich sie gebeten, ihn über die Sökos-Führung
auszuhorchen, was ihr leider nicht gelungen ist. Lediglich den kryptischen
Hinweis auf die Sekte des Totengottes ließ er sich entlocken.«
»Was beweist, dass er als Söko der ersten Stunde wusste oder
zumindest ahnte, wo der Alpha-Kader zu suchen war«, insistierte Jacobi. »Eine
Info, die Sie freilich nicht mehr benötigten, hatten Sie doch längst den
entscheidenden Hinweis von Paul Basidius erhalten. Ruth Maybaum führte Sie
daraufhin im ›Paris-Lodron-Club‹ ein. Apropos Ruth Maybaum: Warum, glauben Sie,
hat man bei ihr eingebrochen?«
»Aus demselben Grund, weshalb man vorgestern auch bei mir
eingebrochen hat, während ich mit ihr im ›Österreichischen Hof‹ soupiert habe.
Frau Kotek und Leo Piritz waren ja auch dort.« Er wies mit dem Kinn auf Jacobis
Kollegin. »Die Sökos-Führung hat den Schlüssel suchen lassen. Bei mir zu Hause,
bei meinen Freunden, und schließlich sind sie mir buchstäblich auf den Leib
gerückt. Diese Hostess – sie hätte mich sicher umgebracht, wenn ich sie beim
Klauen erwischt hätte. Ich glaub, mir wird übel. Ich muss etwas trinken.«
Als sie zurück
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