Herbstgeflüster (Die Kanada-Reihe)
kam.
„Brauchst du einen Arzt?“
„Nein“, antwortete Cedric und ließ die Tasche neben sich auf den Boden fallen. Nur eine Armlänge trennte sie noch. Gefühlt war es eine Meile, mindestens. „Ich war im Krankenhaus und bin verduftet, bevor mich die Bullen in eine Zelle stecken konnten. Sie suchen nach mir. Deshalb hat der Cop mich ins Flugzeug gesetzt. Er meinte, Adrian bräuchte Zeit, um die Sache zu klären, daher musste ich aus der Stadt verschwinden.“
„Was ist passiert?“
„Dimitri ist tot.“
„Hast du es getan?“, fragte Bomer und wusste in der Sekunde die Antwort, als Cedric seufzte.
„Nein. Ich konnte nicht abdrücken. Sein Bodyguard, Sergej, hatte nicht so viele Skrupel. Er hat uns gehört, als wir stritten. Und er hatte ebenfalls einen Bruder. Mikail wurde erschossen. So wie Celvin. Die Bullen wollen, dass ich gegen Sergej aussage. Aber das mache ich nicht.“
„Gute Entscheidung.“
„Ich wollte mich verabschieden. Wenigstens das … Es ist besser als nichts, oder?“ Cedric ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen. „Und du hast gesagt, deine Tür steht offen.“
Das tat sie und daran würde sich auch nichts ändern. Doch scheinbar musste er Cedric das deutlicher machen, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Er wusste zwar nicht so wirklich, wie er es anstellen sollte, aber im schlimmsten Fall würde der Dickschädel eben wieder in Handschellen an seiner Heizung enden, bis er es begriffen hatte.
„Cedric? Willst du bleiben?“
„Soll ich denn?“
„Ja.“
Cedric schluckte sichtlich, sah ihn aber immer noch nicht an. „Ich möchte bleiben, aber die Polizei wird kaum einfach aufgeben. Sie wollen Sergej einbuchten, und ich habe da keine große Wahl. Meine Verbrechensliste ist so lang wie mein Arm. Wenn ich nicht aussage, werde ich in einer kleinen Zelle im Knast verschwinden, und zwar auf Nimmerwiedersehen, das weißt du.“
Die Gefahr bestand durchaus, aber Cedric hatte nicht geschossen. Koslow war von seinem Leibwächter getötet worden, also hatte die Polizei vermutlich nicht viel oder sogar nichts Konkretes gegen Cedric in der Hand. Bomer war bereit, es auf den Versuch ankommen zu lassen, und da Adrian Johnson mit in die Sache hineingezogen hatte, schien der Anwalt das ebenso zu sehen. Er würde gleich mit ihm telefonieren, um Details zu erfahren, aber zuerst wollte er Cedric dazu bringen, bei ihm zu bleiben.
„Adrian wird sich darum kümmern, darauf kannst du dich verlassen. Er hat sein Wort noch nie gebrochen.“
„Du ...“
„Kann man dir irgendetwas nachweisen?“
„Äh ...“ Cedric überlegte. „Keine Ahnung. Die Typen, bei denen ich Geld eingetrieben habe, werde kaum etwas sagen und sonst habe ich mich immer zurückgehalten.“
„Also bist du offiziell bislang nur Zeuge für den Mord an Dimitri.“
„Ja, schon, aber ...“
„Lass Adrian die Sache regeln“, unterbrach er Cedric, denn so hatte er sich das vorgestellt. Die Bullen hatten keine Beweise, keine klaren Anschuldigungen, sonst säße sein Freund bereits im Gefängnis. „Er hat es bei mir auch hinbekommen.“ Bomer überbrückte den letzten Abstand zwischen ihnen und sah auf Cedric hinunter, da er an die zehn Zentimeter größer war als der. „Ich lasse dich nicht noch einmal gehen.“
Cedrics Blick war eine Mischung aus Hoffnung, Angst und diesem letzten Zögern, weil er offenbar nicht sicher war, ob er das alles nur träumte. Bomer hatte vor vielen Jahren genauso in Adrians Gesicht gesehen, als der ihm einen Ausweg, ein zweites Leben angeboten hatte.
„Wenn du bleibst, bleibst du. Bei mir. Uns. In diesem Haus. Solange du mich willst.“
Das folgende Schweigen wurde durch das Rascheln in den Bäumen und Charly gestört, der sich langweilte und angefangen hatte, in den vielen Büschen, die überall am Wegrand standen, zu wühlen und dabei leise zu knurren und zu schnaufen. Bomer warf ihm einen kurzen Blick zu und richtete seine gesamte Aufmerksamkeit dann wieder auf Cedric, da der Welpe noch eine Weile beschäftigt sein würde.
„Also? Muss ich die Handschellen wieder auspacken und dir das Bett an der Heizung einrichten, oder bleibst du freiwillig?“
Cedric blickte verdutzt zu ihm auf, und als Bomer ihm ein neckisches Zwinkern schenkte, lächelte er kurz. „Du bist ein Fesselfetischist, hm? Nein, antworte lieber nicht. Das wäre mir jetzt eindeutig zu viel ...“ Cedric räusperte sich. „Bomer, ich habe keine Ahnung davon ... Ich habe mich nie getraut, verstehst du? Immer nur
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