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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Wimschneider
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als in anderen Häusern, wo die Mutter noch da war. Der Vater lobte mich auch. Das reizte mich, noch fleißiger zu sein.
    Wenn ich dann recht fleißig war, sagte der Vater, wenn du ganz fleißig bist, kriegst du ein Radl, und eine neue Hose kauf ich dir auch. So eine mußt du dann ja haben. Wenn du schnell fährst, reißt dir der Wind den Kittel in die Höhe, da sieht man sonst alles! Das hab ich mir alles vorgestellt, und ich konnte es gar nicht erwarten, bis es soweit war. Aber es sind noch viele Jahre vergangen, dann hab ich ein gebrauchtes Rad bekommen und eine neue Hose auch. Die würden junge Leute heute einen Liebestöter nennen. Ich hab mich sehr darüber gefreut. Als ich dann einmal nach Neuhofen fuhr und zurück, ging’s ein bißchen bergab, und da hab ich daran gedacht, was der Vater einmal gesagt hat. So probierte ich das aus. Plötzlich wurde die Kiesstraße immer dreckiger, mir riß der Wind den Rock hoch, ich wurde immer schneller, dann waren da Wagengeleise und Pferdespuren, ich konnte nicht mehr bremsen und flog mit aller Wucht an einen alten Birnbaum an der Straße. Ach du lieber Gott, war ich froh, daß es niemand gesehen hat. Das Rad war verbogen, und mir ist alte Rinde von dem Birnbaum im Gesicht steckengeblieben, Blut tropfte von meinem Gesicht auf das Kleid, ich mußte das Rad heimschieben. Die Geschwister haben mir die Rinde aus der Haut gezogen, und der Vater hat mich recht geschimpft und gesagt, wenn du so dumm bist, ist es um dich nicht schade.
    Eines Tages, ich war 14 Jahre alt, war meine Hose naß, na so was, ich muß ja gar nicht aufs Klo, ich schaute nach und erschrak ganz furchtbar. Mein Gott, nun muß ich sterben, dachte ich und erinnerte mich an die Mutter, die auch so geblutet hat und dann gestorben ist. Ich habe mich an einem sicheren Platz versteckt und bitterlich geweint. Nach einer Weile suchten sie mich überall, im Stall, in der Scheune, im Haus. Da kam ich dann aus dem Versteck hervor, und alle sahen, daß ich sehr geweint hatte. Da fragten sie mich, warum. Ich sagte, ich habe so große Schmerzen im Bauch. Der Vater sagte, so schlimm ist es wohl nicht, du wirst nicht gleich sterben. Ich schwieg. Nun machte ich mir aus einer alten braunen Decke eine Einlage, die ich mit Sicherheitsnadeln befestigte, und das Bluten verging von selbst wieder. Da hab ich alles gewaschen und heimlich unter der anderen Wäsche getrocknet und wurde wieder fröhlich, weil ich nicht gestorben bin. Aber nach einer Zeit kam das wieder, nun war es nicht mehr so schlimm, weil ich ja beim erstenmal auch nicht gestorben bin.
    Einmal kam ich zur Krämersfrau um ein Pfund Zucker. Die war auch Hebamme. Sie fragte mich nun aus, ob ich Blutungen habe, und klärte mich insoweit auf, daß das alle Frauen haben. Sie schenkte mir auch einen Gürtel und sechs Damenbinden, nun war ich gut ausgestattet und wieder ein Stück aufgeklärt.
    Es kamen auch öfters Nachbarstöchter und Mägde zu einem kleinen Besuch vorbei und erzählten, was sie so alles machen. Sie gehen zum Tanzen mit den Brüdern und Knechten, da wird abends Ziehharmonika gespielt und ist so lustig. Ich fragte meinen Vater, ob ich auch mitgehen dürfe, aber er erlaubte es nicht. Solange noch eine zerrissene Hose im Haus ist, kommst du mir nicht fort. Als ich mir das überlegte, wurde ich traurig, denn es war jeden Tag eine zerrissene Hose da. Ich hatte auch keine Freundin, weil ich ja arm war, und die Mädchen sagten zu mir, daß ich nie würde heiraten können, weil ich immer zu Hause sei. So vergingen wieder ein paar Jahre.
    *

    Ich war schon achtzehn, da kam eines Tages die Meieredermutter zum Vater und sagte, bei uns wird auf dem Hof geheiratet, du mußt das Dirndl zur Hochzeit gehen lassen. Der Vater sagte, die lasse ich nicht hingehen, da müßte ich ihr auch ein Kleid kaufen. Die Meieredermutter sagte, dann kauf ich eins, das Dirndl muß viel arbeiten, es soll auch einmal eine Freude haben. Der Vater hat dann doch ein neues Kleid gekauft, und ich durfte zum erstenmal zu einer Hochzeit gehen.
    Es waren viele Hochzeitsgäste, denn es war ein großer Hof und eine weitverzweigte Verwandtschaft. Auch meine Mitschüler, Burschen und Mädchen, waren dort. Am Nebentisch saß einer, der Konrad, der schon in meiner Schulzeit freundlich zu mir gewesen war. Der holte mich zum Tanz, obwohl ich nicht tanzen konnte. Mittendrinnen auf dem Tanzboden, es war gerade eine Tanzpause, kam ein Freund vom Konrad dazu. Beide waren erst vor Wochen aus dem Arbeitsdienst

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