Herbstmilch
Hemden selbst geschneidert. Es war ein weicher, guter Stoff für meine Werktaghemden, in den feine hellgraue Streifen eingewebt waren, und die Nachbarinnen nannten die Hemden spöttisch Zebrahemden. Da hab ich mich sehr geärgert, denn ich hatte keine so schöne Reizwäsche wie andere junge Frauen, aber manche von ihnen hat trotzdem ihren Mann nicht halten können. Im Laufe der Zeit sind auch meine Schränke voll schöner Wäsche geworden, und das freut mich jetzt.
Am Heiligen Abend, als die Onkel und die Tante noch gelebt hatten, da kam der Pfarrer zu uns mit zwei Ministranten. Auf einem Kinderschlitten zogen diese das Jesuskind aus der Kirche mit. Dann wurde bei uns ein Altar aufgebaut und eine kurze Andacht gehalten. Die alten Leute haben gebeichtet und die Heilige Kommunion empfangen, weil sie ja schon so gebrechlich waren, daß sie nicht mehr zur Kirche gehen konnten. Das war für sie dann ein Freudentag.
Silvester wurde früher nicht gefeiert im Hause, Sekt oder Wein waren unbekannt, nur die Tante hat einmal einen Heidelbeerwein auf Flaschen gezogen. Eines Nachts gab es plötzlich einen Krach. Einige Flaschen, die in einem bemalten alten Schrank standen, hat es da zerrissen, das war vielleicht eine Bescherung!
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Alle Bauernhäuser waren früher noch alt, überall waren alte Mauern, naß und kalt. Oft waren Pferde- und Kuhstall neben der Küche. Bei uns war das früher auch so gewesen.
Von der Küche konnte man in den Kuhstall gehen. In der Küche war in der Mitte ein runder Tisch, auf dem man das Essen anrichten und arbeiten konnte. Der Fußboden war nur aus Beton und sehr kalt. Die Seitenwände waren dickes und nasses Mauerwerk. Die Küche hatte drei Türen, eine zum Hausgang, eine in die Stube und die dritte in den Kuhstall. Zwei Fenster waren auch da, aber ziemlich kleine. An der Fensterseite war eine lange Anrichte mit einem Vorhang, und hinter dem Vorhang war das Küchengeschirr verräumt.
Auf der Hausgangseite war am Kamin ein Backofen angeschlossen, in dem ich sechs Laib Brot backen konnte. Und gegenüber, neben der Stalltür, war ein betonierter Wasserkrand. In diesen zwei Kubikmeter großen Behälter konnte man von dem hinterm Haus stehenden Brunnen Wasser in die Küche pumpen. Den Stall haben wir später auf der anderen Hofseite neu aufgebaut. So kam auch der Misthaufen vor der Stalltür und vor den Stubenfenstern in der Hofseite weg. Das war alles harte Arbeit. Nachtruhe gab es fast keine.
Als wir 1950 den neuen Kuhstall gebaut haben, mußten wir mit einem Pferd und einem Ochsen das ganze Bauholz fahren. Mein Mann und ich luden die 22 Meter langen, schweren Baumstämme zu zweit auf. Fremde Leute hätten wir uns nicht leisten können.
Einmal fuhren wir auch ganz lange große Stämme auf zwei stark gebauten Holzschlitten, die weit auseinandergezogen waren, zum Sägewerk. Vom Wald über die Wiese und auf dem Feldweg ging es ganz gut. Ich mußte den hinteren Schlitten mit einer Stange lenken, wie bei einem Schiff oder einem Floß. Ich konnte den Stoaz, wie er bei uns hieß, mit den Händen kaum umlangen. Es mußte aber gehen. Wir kamen von dem Feldweg auf die Hauptstraße, die noch nicht geteert war. Wir wußten natürlich nicht, daß dort fast kein Schnee mehr lag. Dort fuhren wir nicht lange, dann kam ein Stein unter den Schlitten. Mein Lenkstamm schlug mich über die Straße, und die ganze Fuhre Langholz lag auch im Straßengraben. Mein Gott, wir waren ganz fertig. Zum Glück kam ein Bekannter, der uns wieder aufladen half. Ich hätte das allein mit meinem Mann nicht mehr geschafft.
Wir sind dann erst spätabends nach Hause gekommen. Dann blieben noch die Stallarbeit und die Hausarbeit. Die Kinder waren schon eingeschlafen. Wir waren todmüde.
1952 bekamen wir noch die kleine Monika. Nun waren wir ein Dreimäderlhaus. Das war mir später ein Trost, daß ich die noch hatte, als die andern aus dem Haus gingen.
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Zu Weihnachten 1960 zogen wir in den Neubau ein, das war eine Freude. Der andere Teil des Hauses blieb noch, wie er war. Carola ging nun bald zu einem Industriebetrieb arbeiten. Sie half uns aber am Morgen und Abend daheim bei der Arbeit und mit ihrem Lohn im Haushalt.
Nach einiger Zeit wurde in der Stadt eine Krankenpflegeschule eröffnet, und Carola meldete sich zum ersten Kurs an. Nun ergriff meine Tochter den Beruf, den ich mir so sehr gewünscht hatte. Im Monat 90 Mark war die Entlohnung, Berufskleidung und Lehrbücher mußten die Schülerinnen noch selbst kaufen. Das waren
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