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Herbstmilch

Herbstmilch

Titel: Herbstmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Wimschneider
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Nacht, wie es im Vorfrühling oft ist, so hell, daß man weit sehen konnte, ja, man hätte die Zeitung leicht lesen können. Es war ganz still. Da hörte ich plötzlich ein Geräusch, als wenn im hohen Laub etwas auf mich zukäme. Es kam von der Scheune hinten, den Stall entlang, rasch näher.
    Da schaute ich genau hin, was es sei, aber es war nichts, nur das Geräusch war nun schon ganz nahe bei mir, und auf einmal stand ein ganz großes Tier vor mir, so groß, daß es mir fast an die Brust reichte. Ganz unwillkürlich hob ich die Arme, damit ich es nicht berührte. Das Tier war etwa eineinhalb Meter lang und hatte einen Rücken, der gewiß 40 Zentimeter breit war. In der Mitte des Rückens war ein vier bis fünf Zentimeter breiter Streifen, da waren keine Haare.
    Mit einem lauten röchligen Wrau tat das Tier, als wenn es etwas mit dem Maul anpacken würde. Ich stand bewegungslos da. Da war nun wieder dieses Geräusch, als wenn im tiefen trockenen Laub etwas liefe, aber nun entfernte es sich, und das Tier vor mir war im Augenblick verschwunden.
    Ich sah es nicht weglaufen, wie ich es auch nicht hatte kommen sehen, nur das laute Rascheln hörte ich, wie es den gleichen Weg zurücknahm, auf dem es gekommen war.
    Da standen mir die Haare zu Berg, und ich erschrak ganz furchtbar. Bis zur Haustüre waren es kaum 20 Meter. Ich lief zu ihr hin, sperrte die Tür auf und rannte in den Hausgang und ans Gangfenster und schaute hinaus, ob dieses Vieh zurückkommen würde. Es war aber weder etwas zu sehen noch zu hören. Nun aber rannte ich ins Schlafzimmer und weckte meinen Mann, und auf der Bettkante sitzend erzählte ich ihm dieses Erlebnis.
    Mein Mann weiß, daß ich keine Spinnerin bin, die sich alles mögliche und auch das Unmögliche einbildet, aber darauf wußte er nichts zu sagen. Ich hatte noch gar nicht ganz fertig erzählt, da hörten wir unten im Hof lautes Rufen.
    Mein Mann ging ans Fenster, da waren wieder die zwei Frauen und sagten, ob ich nicht mit ihnen gehen möchte, der Heinrich ist gestorben. Sie sagten, du bist noch gar nicht ganz zu Hause gewesen, da ist er gestorben. So ging ich wieder mit, um den Frauen beim Waschen der Leiche und dem Aufbahren zu helfen. Von meinem Erlebnis habe ich nichts gesagt.
    Seitdem gehe ich ungern des Nachts an dieser Stelle vorbei, und ich weiß heute noch alles ganz genau. In der Stille der Nacht hatte ich das Rascheln des trockenen Laubs gehört, durch das das Vieh lief, aber es war überhaupt kein Laub da. Und das Vieh hatte ich nur direkt vor mir gesehen, beim Herankommen sah ich es nicht und beim Weglaufen auch nicht. Aber vor mir war es ganz deutlich.

    *

    Wir haben es beide schwer gehabt, denn wir waren nichts und haben erst allmählich Anerkennung gefunden, weil wir unser Anwesen emporgebracht haben. Manche aber sahen das mit neidischen Augen, und den Neid kann man mit nichts überwinden.
    Mein Vater hat immer gesagt, der Neid verzehrt Vieh und Leut. Das ist ein Sprichwort, aus Erfahrung gewonnen, und wir haben es erlebt. Solange es uns schlechtging, war reges Interesse da, aber als es uns endlich gutging, standen wir allein.
    Zehn Jahre lang war ich das Jahr über mehr in den Krankenhäusern als daheim, die Ärzte machten mir keine Hoffnung mehr, und der Krankenhausgeistliche, der mich oft besuchte, sagte zu einer Bekannten, heut besuch ich sie wieder, aber die stirbt alleweil. Das hab ich erst nach langer Zeit erfahren. Einmal, bei einem besonders schweren Asthmaanfall, hab ich zum Kreuz an der Wand hinaufgeschaut und gebetet, Himmelvater hilf, die Kinder brauchen mich noch.
    Wenn ich auch nicht mehr ganz gesund geworden bin, heimgekommen bin ich wieder, und von all den Leidensgefährten meiner Krankenhauszeit lebt niemand mehr. Einmal hieß es, daß ich in der Nacht gestorben sei, und als mir einige Schwestern auf der Treppe begegneten, schrien sie laut auf und fielen mir um den Hals. Es heißt ja, ein Totgesagter lebt noch lange.
    So kam ich also doch wieder heim und traf am nächsten Vormittag meine Nachbarinnen am Millibankerl, wo die Milch abgeliefert wird zur Abholung an die Molkerei. Das ist nun auch ein Ratschbankerl, bis der Milchtankwagen kommt. Wir hatten damals noch drei Kühe, und da lieferte ich meine Kanne auch an. Auf meinen Gruß habe ich von niemandem eine Antwort erhalten, kein einziges Wort, da bin ich schon recht traurig gewesen, daß ich nun schon ganz abgeschrieben war.
    Die Ärzte sagten immer, wir müßten das Vieh abgeben, das Stallklima sei

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