Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Mittagspause warst.«
Moment mal.
Ich glaube, ich spinne. »Und dann bist du rangegangen? An mein Handy?«
Sie zuckt
die Schultern. »Es hat alle zwei Minuten geklingelt. Ich dachte, es ist sonst was
für ein Notfall und wollte nur behilflich sein.«
Ich fasse
es nicht. »Ach so, und da es kein Notfall war, hast du mir erst gar nichts von dem
Telefonat erzählt, als ich vom Essen zurückkam.«
»Hab ich
wohl vergessen.«
Tina hatte
mich gewarnt vor Neid, Eifersucht, handfesten Intrigen … Life is a cabaret, old
chum!
Ich würde
Marlene am liebsten eine reinhauen. Stattdessen schießen mir, wie immer, wenn ich
wütend bin, die Tränen in die Augen (Mist!). Dabei bestätigt sich gerade nur, was
ich gestern schon kapiert habe: Mit mir macht jeder, was er will. Warum? Weil ich
mich nicht wehre.
Marlene
ist an mein Telefon gegangen, hat festgestellt, dass Basti, mein Freund, ein alter
Bekannter von ihr ist, hat ihn bewusst zu spät hierher bestellt, um ihn zum Sonycenter
zu bringen, damit er sieht, dass ich gerade mit Leo zusammen bin und er mir womöglich
Ärger macht … Genialer Plan. Etwas derartig Hinterhältiges würde mir in zehn kalten
Wintern nicht einfallen (Und ich idiotische Person tue ihr den Gefallen genau im
›richtigen Moment‹ mit Leo zu knutschen). Und warum das alles? Damit es mir schlecht
geht, natürlich.
Hasst mich
Marlene so sehr? Bloß weil ich Chefkostümbildnerin bin und nicht sie? Und weil Leo
auf mich steht und nicht auf sie? Vielleicht war sie ja früher auf Basti scharf
und hat ihn nicht gekriegt.
Marlene
sieht mich lauernd an, während die Gedanken hinter meiner Stirn Achterbahn fahren.
Und dann ist sie da, die Erkenntnis – schlagartig.
Wenn ich
Marlene wäre, wäre ich auch neidisch auf mich.
Denn ich,
Rosa Redlich, habe großes, ja geradezu gewaltiges Glück. Ich habe einen Traumberuf.
Zwei absolut tolle Männer stehen auf mich. Und eine bildschöne, hoch talentierte
Kostümschneiderin, die es echt nicht nötig hat, wird meinetwegen von Neid und Eifersucht
zerfressen. Alle meine Ängste fallen mit einem Mal von mir ab.
»Weißt du
was, Marlene«, sage ich und lächle auf sie herab. »Du kannst mich mal.«
Während der nächsten Stunden ist
es still in der Werkstatt. Marlene singt nicht, sagt nichts und guckt nicht einmal
zu mir rüber (wahrscheinlich heckt sie schon ihre nächste Attacke gegen mich aus).
Tina hat sich ebenfalls hinter ihrer Nähmaschine vergraben, und ich arbeite am Zeichentisch
den Entwurf von Rosanas Traumkleid um.
Leo lässt
sich nicht blicken, stattdessen einer seiner Assistenten.
»Soll euch
grüßen«, wirft er kurz in den Raum und klappt die Tür wieder zu. »Leo ist ‘ne Woche
in London, ganz spontan.«
»Wieso das?«,
frage ich überrascht.
Tina zuckt
ratlos die Schultern.
»Es geht
um sein nächstes Projekt«, sagt Marlene. Ihr Tonfall ist für ihre Verhältnisse total
normal. »Wieder ein Film.«
Ich nicke.
Mir ist es recht. Da fällt glatt auch die letzte Anspannung von mir ab.
Mir ist
nämlich heute Nacht klar geworden, dass Leos Kuss nicht ohne Folgen geblieben ist.
Und das ist sehr vorsichtig ausgedrückt. In Wirklichkeit kann ich kaum mehr an etwas
anderes denken. Wie gerufen piept mein Handy. Eine SMS von ihm.
›Musste
spontan weg. Sorry! Sehe dich Montag. L.‹
In meinem
Bauch kribbelt es. Eindeutiges Symptom. Ich bin in meinen Regisseur verknallt. Während
ich langsam beginne, diese Tatsache zu akzeptieren, kommt erneut eine Nachricht
an. Dieses Mal ist sie von Basti! Als hätte er gespürt, dass er gerade ernsthafte
Konkurrenz bekommt.
›Du hast
recht. Wir sollten reden. Heute?‹
Ich tippe
meine Antwort so schnell es geht. ›20 Uhr im Schraders?‹
Keine Minute
später habe ich seine Antwort. ›Ok!‹
*
»Wir haben’s verhauen, oder?«
Ja, das
habe ich seit gestern auch gedacht. Ich war mir sicher, dass es besser ist, wenn
wir Schluss machen. Aber jetzt, wo wir in unserer Lieblingskneipe sitzen, genau
auf der Couch, wo wir zum ersten Mal gemeinsam gefeiert haben und ich merkte, wie
hinreißend ich ihn fand … Nein, ich kann und will nicht glauben, dass es mit Basti
zu Ende sein soll.
»Findest
du?«, frage ich vorsichtig. Vielleicht hat er längst beschlossen, dass es
aus mit uns ist.
»Nein«,
sagt er fest und dann noch einmal: »Nein, nur du und dieser Regisseur …«
»Und was
ist mit dir und Antonia?«
Er guckt
mich fragend an. Dann begreift er. »Das ist es also. Du denkst …«
»Ich
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