Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
aufrichtig liebt?
Oh je! Meine liebe Augusta hat einen
gewaltigen Schritt zurück gemacht. Sie redet sich alles schön. Ich traue dem Fritze
Kastanienbaum ja noch immer nicht über den Weg. Er lügt, dass sich die Balken biegen.
Allerdings weiß ich mehr, als Augusta bekannt ist. Eben diese schreckliche Geschichte
von ihrem Tod, die mir Vicki mit Vorliebe erzählt. Lange hielt ich sie für einen
blöden Witz, aber nach allem, was ich unterdessen über Friedrich erfahren habe …
Ein Unschuldslamm ist er nicht gerade. Aber ein Mörder?
Andererseits
ist Augustas Logik zwingend. Warum sollte Friedrich sich solche Mühe machen, sie
zu umwerben? Ihre Ehe ist beschlossene Sache. Sie kann nicht mehr zurück. Ich bin
sicher, damals war es nicht üblich, eine Verlobung aufzulösen, schon gar nicht,
wenn die zukünftige Braut es sich anders überlegt hatte.
Warum sollte
Basti (obwohl er mir sein Kind verheimlicht hat, scheinbar immer noch an seiner
Exfreundin hängt, mich vorm Kino stehenlässt und zu allem Überfluss mit Marlene
durchs Sonycenter schlendert) mich nicht trotzdem aufrichtig lieben?
Ich finde
es richtig, Vertrauen zu ihm zu haben, nicht an Lug und Trug, sondern an seine Aufrichtigkeit
und Liebe zu glauben. Das ist manchmal schwer und ich bin auch nicht besonders gut
darin, aber es ist die Basis einer intakten Beziehung. Wenn Basti mir sagt, er liebt
mich, warum sollte ich daran zweifeln, verdammt noch mal?
Rosa, reden
kann man eine Menge, wenn der Tag lang ist.
Auf einmal
komme ich mir dämlich vor. Augusta erkläre ich laufend für naiv, weil sie sich von
ihrem Verlobten einwickeln lässt. Und ich? Ich bin selbst nicht besser. Basti hat
sich nicht gerade Mühe gegeben in letzter Zeit. Doch ich habe seine Ausreden und
Entschuldigungen immer wieder akzeptiert.
Weil ich
glaubte, es ist die große Liebe!
›Die Liebe
ist langmütig und freundlich. Sie eifert nicht und sie bläht sich nicht auf.‹ Das
steht in der Bibel (diese Verse waren so ziemlich das Einzige, was ich damals im
Konfi-Unterricht schön fand und mir gemerkt habe) und die muss es ja wissen, schließlich
glauben nicht gerade wenige Menschen, was da drin steht.
Augusta
wahrscheinlich auch. Ich bin überhaupt kein bisschen besser als sie.
Kommt es
nicht viel mehr auf Taten als auf Worte an? Auch oder gerade in der Liebe?
Nehmen wir mal Leo. Er hört mir zu, lädt mich zum Essen ein, hat mir einen absoluten
Traumjob gegeben, ruft an und schreibt mir total schöne SMS. Na gut, das hat natürlich
in erster Linie mit unserer gemeinsamen Arbeit zu tun. Doch dann hat er mich geküsst.
Und das geht weit über ein Arbeitsverhältnis hinaus und lässt außerdem alles, was
sonst zwischen uns stattfindet, in einem anderen Licht erscheinen. Aber hallo!
Kann es
sein, dass Basti mich gar nicht liebt, dass all meine Überlegungen zu unserer Beziehung
einfältig und naiv sind und ich nur nicht sehen will, dass es längst aus ist?
Sollte ich
vielleicht mit ihm Schluss machen? Dann wäre es vorbei mit den Enttäuschungen, und
ich könnte meinen Regisseur küssen, so oft ich wollte.
Nein, niemals,
Rosa sei nicht doof! Vertrau deinen Gefühlen!
Leo ist
nichts als ein Verführer, ein Blender, einer, der weiß, was er will, und es sich
dann holt. Mit Liebe hat das nichts zu tun.
Nee, mich
kriegt er nicht. Punkt.
»Ach, Basti,
es ist alles schrecklich kompliziert«, seufze ich. »Jetzt ruf doch einfach mal zurück!«
Am nächsten Tag bat Sophie
zum Tee. Ich zögerte hinzugehen, denn ich fürchtete, sie würde wieder weinen und
mir schreckliche Dinge über meinen Verlobten erzählen. Doch dann zwang ich mich,
sie zu besuchen. Meine liebe Freundin kann schließlich nichts für ihren angegriffenen
seelischen Zustand.
An diesem
Tag hatte ich mich allerdings umsonst gesorgt, denn mich erwartete eine strahlende,
glückliche Sophie. Sie hatte mehrere Gäste in ihren Salon gebeten. Ein Treffen auserlesener,
junger Menschen aus vielleicht nicht den besten, aber dafür den spannendsten Kreisen,
wie sie freudig sagte. Mitten unter ihnen entdeckte ich Wendelin Hegelow. Sophie
zögerte nicht, mich zu ihm zu bringen, denn sie wusste um unsere lose Bekanntschaft.
Schon von Weitem sah ich seine Augen bei meinem Anblick aufleuchten. Ich hatte alle
Gedanken an ihn in den letzten Tagen erfolgreich beiseitegeschoben. Aber als er
mich nun strahlend anlächelte und mir mit einer perfekten Verbeugung die Hand küsste,
da war es wieder um mein Herz geschehen.
Ich
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