Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Rosa.«
Ja klar.
Besser so. Aber warum fühlt es sich nur dermaßen schlecht an?
*
Das Wochenende verbringe ich damit,
Margrets liegengebliebene Arbeit aufzuarbeiten. Jola ist in Polen und kann mir nicht
helfen. Am Sonntagnachmittag habe ich mich so weit, dass ich über den Fernsehschock
hinweg bin. Ich schimpfe mich selbst eine Närrin. Es war doch klar, dass Leo ein
absoluter Frauenheld ist. Wie hatte ich nur glauben können, dass sein Kuss mehr
gewesen wäre als die Befriedigung seines scheinbar unstillbaren Jagdinstinktes?
Und überhaupt, warum kann ich nicht aufhören, an ihn zu denken? Es ist doch Basti,
mit dem ich zusammen bin. Wie oft muss ich mir das eigentlich noch sagen? Es ist,
als ob ich in zwei Hälften zerrissen bin. Die eine ist Rosa, ein bisschen chaotisch,
aber gut drauf. Die andere ist eine durchgedrehte Irre, die sich verknallt hat und
deshalb alles aufs Spiel setzen will, was sie hat.
Heute Abend
hat mein Freund endlich wieder Zeit für mich (das ist auch echt überfällig!). Es
ist das letzte Mal, dass wir allein in seiner Wohnung sein können, denn am kommenden
Wochenende wird er seine Julia zu sich holen, weil ihre Mutter dann in die USA geht.
Ich bin gespannt, das Mädchen kennenzulernen, andererseits ist mir dabei ziemlich
bange. Ob sie mich mögen wird?
Ich seufze
laut. Doch als Basti in die Werkstatt kommt, um mich abzuholen, verschwinden die
Sorgen. Wie konnte ich nur so blöd sein, ihn wegen Leo beinahe aufzugeben? Selig
fliege ich in seine Arme. Der heutige Abend gehört allein uns.
Draußen
wird es dunkel. Der Herbst verscheucht die allerletzte Wärme, ein heftiger Wind
reißt bunte Blätter von den Bäumen, die Passanten klappen fröstelnd ihre Mantelkrägen
hoch.
»Sollen
wir drüben eine Kleinigkeit essen?«, fragt Basti.
»Ich habe
gar keinen Appetit«, antworte ich. »Jedenfalls nicht auf Essen.«
Eine halbe
Stunde später sind wir bei ihm. Es dauert keine zwei Minuten, bis wir nackt sind.
Wir küssen, berühren, kosten, wälzen uns. Endlos. Mein Gott, so schön war es mit
ihm noch nie! Erst Stunden später, in denen wir nichts getan haben, außer einander
Lust und Liebe zu schenken, schlafen wir erschöpft ein.
Ich bin
endlich wieder eins … und vollkommen glücklich!
*
Am Montagmorgen bin ich diejenige,
die singend und strahlend die Kostümschneiderei betritt. Eine leichte Röte auf den
Wangen und ein kleiner Knutschfleck am Hals erinnern mich an das, was ich die halbe
Nacht mit Basti getan habe. Wow!
Keine zwei
Minuten, nachdem ich mich an meine Maschine gesetzt habe, steht Leo im Raum. Ich
bin noch allein in der Werkstatt, hoffe aber, dass Tina jeden Moment reinkommt.
»Hey, Rosa«,
sagt Leo und seine Stimme jagt mir einen Schauer über den Rücken.
»Morgen«,
sage ich so lässig wie möglich und schaue nur kurz von meiner Arbeit auf.
»Kaffee?«,
fragt er, stellt einen großen Starbucks-Becher auf meinen Tisch und legt ein kleines
Tütchen daneben. »Karamellmacchiato. Amaretti sind auch dabei.«
»Danke«,
sage ich erstaunt. Ich habe doch nur einmal erwähnt, dass das meine Lieblingskaffee-Kombi
ist.
»Hast du
Zeit heute?«
»Wie meinst
du? Für ein Arbeitsessen?«
Er lacht.
Ich mache den Fehler, einen Moment zu lange in seine schönen braunen Augen zu schauen.
Verdammt, sieht der Typ umwerfend aus!
»Nein, kein
Arbeitsessen. Ich meine einfach so, nach der Arbeit. Unser letztes Treffen war ziemlich
abrupt zu Ende.«
Ich glaube
es nicht. Er war ein paar Tage in London, hat sich mit seiner Ex versöhnt und kaum
ist er zurück in Berlin, baggert er mich wieder an? Es stimmt also, was in den Klatschblättern
über ihn geschrieben steht.
»Hör mal«,
sage ich und stehe auf, damit ich ihm gerade ins Gesicht schauen kann und nicht
geduckt wie ein Hase zu dem Löwen aufschauen muss, der ihn gerade fressen will.
»Ich kann das nicht. Ich … ich habe einen Freund und es wäre schon beinahe aus gewesen,
weil du … wegen … weil du mich einfach geküsst hast neulich. Ich gehe nur mit dir
essen, wenn es etwas mit unserer Arbeit zu tun hat. Bitte, Leo, das musst du respektieren.«
Ich finde,
er sieht erstaunt aus. Erstaunt und dann traurig. Für einen Moment.
»Ich sehe
dich um 14 Uhr im Meeting«, sagt er kalt und wendet sich ruckartig ab.
Da muss
ich mich wohl verguckt haben. Ich sage ja, dass ich nicht in den Augen anderer lesen
kann.
Das Meeting ist der Horrortrip.
Alle (die Choreografen, der Dramaturg, sogar die Regieassistenten)
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